Der erste Sommer
besser.
»Komm doch mit!«, bettelte sie.
»Ich mag Keller nicht. Ich bin ungern eingesperrt.« Er stellte sie wieder auf ihre eigenen Füße.
»Bitte komm mit, ich möchte dir zeigen, wo wir unsere Nächte verbracht haben.«
Sie zog Martin zu der Tür neben dem Plakat. Das Schild »Luftschutzkeller« war noch immer auf den Rahmen genagelt. Sie riss die Tür auf.
»Nicht mal abgesperrt. Vielleicht wohnt jemand da unten.« Kühle Luft schlug ihr entgegen.
»Hallo! Ist da wer?«
Niemand antwortete.
»Komm!«, wandte sie sich wieder an Martin, nahm seine Hand und zog ihn hinein.
Hinter der Tür hing eine Lampe an einem Nagel. Annenahm sie gewohnheitsmäßig herunter und stieg mit pochendem Herzen die rutschigen Treppen hinab. Martins Hand hatte sich so weich angefühlt, und doch voller Kraft.
»Kühl hier«, sagte er ins Dunkle.
Sie traten durch eine zweite Tür und standen im Keller. Es war fast vollkommen finster. Nur ein schwacher Schimmer des Abendlichtes drang durch den Treppenschacht. Mit riesigen, ungelenken Lettern stand mit weißer Farbe auf den rohen Steinen: Schutzraum für 20 bis 50 Personen. Ruhe bewahren! Anne lächelte. Guter Hoffnung sein und Ruhe bewahren – die amtlichen Ratschläge für ein geglücktes Leben.
»Hier haben wir unsere Nächte verbracht. Hier haben wir gezittert und gebetet«, raunte sie mit Befriedigung und stellte die Lampe auf dem Boden ab.
»In dieser Dunkelheit? Alle Achtung.« Leichter Spott lag in seiner Stimme, aber Anne achtete nicht darauf.
»Im Dunkeln lässt sich die Wahrheit einfacher sagen«, erklärte sie unvermittelt.
»Meinst du?«
In einer Ecke des Kellers tropfte in gleichmäßigen Abständen Wasser von der Decke. Eine Minute verstrich. Das Schweigen schnürte Anne die Kehle zu. Sie würde ersticken, wenn er nicht endlich das Maul aufmachte. Die Angst der vielen Nächte kroch in ihr hoch. Leopold hatte sie auf seine tollpatschige Art bei jeder Explosion in den Arm genommen. Leopold … Es hörte nie auf. Nervös hustete sie. Das Schweigen war nicht mehr auszuhalten.
»Was war der größte Fehler in deinem Leben?«
»Ich habe nur einen Fehler begangen.« Martin räusperte sich. Gespannt trat Anne zu ihm. Sein Gesicht, so weit sie es erkennen konnte, war nachdenklich und der spöttische Zug um seine Mundwinkel verschwunden. »Ich bin einmal weggelaufen. Und das werde ich wieder gutmachen. Ich habe mirgeschworen, nie mehr wegzulaufen … Sonst würde ich mich auch kaum mit Anne, dem Rachengel aus Penzberg, in einem Keller einsperren lassen.«
Er drehte sich um. Noch nie hatte er so offen mit ihr gesprochen. Endlich hatte sie ihn da, wo sie ihn haben wollte, in ihrer Hand.
»Erzähl mir von deinem Fehler!«, forderte sie ihn auf. »Geht es um eine Frau?«
»Warte!«
Martin schloss die untere Tür. Dunkelheit umfing sie. Er stieß gegen einen Eimer, der scheppernd umfiel. Nach einigen Augenblicken der Stille hörte er Annes tastende Schritte. Sie blieb hinter ihm stehen.
»Ich möchte alles darüber wissen«, flüsterte sie, während sie ihm langsam sein Hemd aus der Hose zog. »Und über Penzberg. Warum warst du dort, Ende April? Sag es mir!«
Ihre Hände glitten unter sein Hemd und fuhren die Brust hoch. Sie war samtig weich und nur um die Brustwarzen behaart. Für einen Moment war Anne über sich selbst erschrocken. Aber sie spürte, dass er sich ihren Händen überließ – und machte weiter.
»Ja, ich war dort.«
Endlich. In ihrem Kopf drehte sich alles. Ihre Finger streichelten seine Brustwarzen, kniffen sie zart und zogen daran. Er stöhnte auf. Sie zog die Hände zurück und knöpfte das Hemd auf. Mit einer ruckartigen Bewegung riss sie es ihm herunter. Es hing an den Manschetten fest. Endlich, dachte sie, gehört er mir. Sie durfte nur nicht vergessen, worum es ging: ihn zu überführen, diesen Lügner und Mörder, der sich als Amerikaner ausgab, und nun überwältigt in ihren Armen lag, ihn bloßzustellen, um – sie hielt inne.
»Lass mich die Lampe anmachen.«
Er hob seine Arme über sie und fing sie mit seinem Hemdein. Er drückte sie so fest an sich, dass die Manschettenknöpfe abrissen und das Hemd zu Boden glitt.
»Später«, hauchte er ihr ins Ohr.
Mit den Handflächen strich er über ihre Brüste und presste seinen Unterleib fest an ihren. Sie torkelte zurück. Hinter ihr war eine kalte, feuchte Mauer. Ein herausstehender Ziegelstein drückte schmerzhaft in ihr linkes Schulterblatt. Was tat sie da? Er war in Penzberg
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