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Der erste Tod der Cass McBride

Der erste Tod der Cass McBride

Titel: Der erste Tod der Cass McBride Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Giles
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presste meine Ferse noch fester nach unten und zog meine Zehen mit noch mehr Kraft in Richtung Körper. Meine Rückenmuskeln waren steif. Kam das davon, weil ich die Zehen anspannte? Oder weil ich schon so lange in derselben Haltung lag? Mein Hals war zugeschnürt. Jetzt kam die Panik. Wie ein riesiger schwarzer Geier breitete sie ihre Schwingen aus und kreiste über mir. Blieb beharrlich über mir, wartete auf mich.
    Ich schrie. Zerfetzte mir einmal mehr die Kehle. Ich kratzte und schabte an dem Sargdeckel und warf mich von einer Seite auf die andere, knallte mit den Schultern gegen die Seitenwände der Kiste. Der Lattenkiste, wie Kyle sagte.
    Oh Gott, ich musste mich beruhigen. Hör auf. Bitte, bitte, Cass, hör auf damit.
    Ich musste diese Nacht überstehen.
    Würde es mir gelingen, zu schlafen? Würde ich wieder aufwachen? Wie sollst du schlafen, wenn du die Panik nur mit Schmerz in Schach halten kannst?
    Nein, ich konnte nicht schlafen.
    Aber ich würde mich beruhigen.
    Wie ging doch gleich das Lied, das meine Mutter gesungen hatte?
    Front, petit front
    Yeux, petits yeux
    Nez de croquant
    Quiriquiqui
    Ich würde das Lied singen. Ich würde ein- und ausatmen.
    Ich würde diese Nacht überstehen.

 
BEN
    »Hoffentlich habt ihr was für mich, Leute«, sagte Ben.
    Die vier Uniformierten, die ihm für den Fall unterstanden, saßen auf Aluminiumstühlen um einen ramponierten Tisch herum.
    Einer von ihnen warf einen Blick auf seine Notizen. »Die Beratungslehrer der Schule haben sich alle eingefunden und die Kids angerufen, die das Mädchen kannten. Sie haben ihnen gesagt, dass sie auch an Bekannte weitersagen sollen, in die Schule zu kommen -, an Leute, von denen sie glauben, dass sie vielleicht etwas wissen oder die uns einfach nur etwas über Cass erzählen wollen. Samstags ist das natürlich schwieriger, aber trotzdem ist ein ganzer Haufen Kids gekommen. Manche wollten nur ein bisschen Aufmerksamkeit, ein paar waren einfach froh, irgendeinen Grund zu haben, um nicht zu Hause rumzusitzen. Und manche fanden es wohl bloß cool, bei so einer Sache dabei zu sein. Aber man kann ja nie wissen. Wir haben uns also sieben Stunden lang die Aussagen all ihrer »wirklich guten Freunde und Freundinnen angehört und zusammenfassend lässt sich demnach über Cass McBride sagen: Sie ist hochnäsig, das netteste Mädchen der Schule, eine Zicke, ein Engel, hat mehr Geld, als gut für sie ist. Sie soll allzu großzügig sein, eine Schlampe, eine eiskalte Prinzessin, kontaktfreudig, schüchtern, völlig labil. Sie weiß, was sie will und wie sie es bekommt. Sie ist smart, dumm wie Brot und egal, was ihr zugestoßen ist, sie hat es verdient, weil sie andere Leute wie Dreck behandelt. Oder aber: Sie hat nichts dergleichen verdient, weil sie mit allen gut klarkommt.« Er klappte sein Notizbuch zu. »Es ist wieder die alte Leier: Die Befragten, die von Cass beachtet wurden, lieben sie, für die anderen war Cass ein rotes Tuch.«
    Der Polizist runzelte die Stirn und klappte das Notizbuch wieder auf. »Ach ja, und da war dann noch eine Susan Allison, die sich Firefly nennt - ausgeflippter Haarschnitt, Ohrringe so groß wie Golfbälle und mit so einem schrägen schwarzweißen Make-up. Sie sagt, sie sei sich ziemlich sicher, dass Cass schwanger ist.«
    »Schwanger?«, fragte Ben nach.
    »Ja, schwanger. Firefly berichtet, dass sie mitbekommen hat, wie Cass vor ein paar Tagen wegen Morgenübelkeit kotzen musste.«
    Ben schrieb Stichworte auf ein Whiteboard an der Wand. »Ich schätze mal, Cass und Firefly waren keine Freundinnen.« Er notierte schwanger auf der Tafel. »Damit verschwenden wir jetzt keine Zeit. Wir können bei ihrer besten Freundin nachfragen. Aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass es nicht stimmt.«
    Er deutete auf die Tafel. »Leatha. Ihre Darstellung ergab Sinn. Ich denke, Cass ist so, wie ihre Mutter sie beschrieben hat. Aber somit haben wir absolut nichts in der Hand.«
    Ben blickte auf die Uhr. Dann auf die Tafel. Dann wieder auf die Uhr.
    »Die ersten vierundzwanzig Stunden sind um und wir haben nichts?«

 
KYLE
    »Ich weiß nicht, warum mir nicht klar war, dass Davids Wahl auf Cass fallen würde, als wir gemeinsam den Plan geschmiedet haben. Ich meine, ihr habt sie doch erlebt. Sieht sie nicht aus wie eine ältere, härtere Version von Cass? Sie hat sich von uns immer die Schulzeitung geben lassen und die Käseblätter studiert. Und Cass tauchte überall auf. Entweder mussten wir uns dann wieder und wieder anhören,

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