Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
oder?«
»Für mich nicht.«
»Gut.«
Es war wohl nicht weiter verwunderlich, dass Inschs Topstar auf SM stand – diese Tina im Café Ici hatte ja auch davon geschwärmt, dass man auf der Bühne praktisch in die Haut eines anderen schlüpfen könne, dass man etwas oder jemand sein konnte, das oder der man im normalen Leben nicht war. So ähnlich, wie wenn man einen Ganzkörper-Latexanzug trug. Was vermutlich erklärte, wieso Rickards sich zu ihr hingezogen fühlte. Logan fragte sich, ob sie in dem Fall Top oder Bottom wäre. Wenn man sich Rickards so anschaute, war es leichter, sich ihn als Versohlten denn als Versohler vorzustellen, aber man konnte nie wissen.
Er zog die Stirn in Falten und spürte, wie die kleinen Rädchen in seinem Hirn zu rotieren begannen. »Mist.« Es war so offensichtlich, wenn man erst einmal darüber nachdachte.
»Sir?«
Logan schnappte sich die DVD mit Jason Fettes’ letztem Auftritt und stürzte aus dem Raum. Er musste noch das eine oder andere Detail überprüfen, aber er wurde das unangenehme Gefühl nicht los, dass er schon wusste, was er finden würde.
Und DI Insch würde gar nicht glücklich darüber sein.
50
»Nein.« Mit finsterer Miene betrachtete der Inspector die Ausdrucke, die Logan auf seinem Schreibtisch ausgebreitet hatte. »Das ist doch vollkommener Blöd…«
»Aber wenn Sie sich die …«
»Nein – das ist sie nicht!«
»Sehen Sie sich doch die Fotos an! Sie hat den gleichen Körperbau wie die Frau in dem Bondageanzug, sie gehört zur Szene – fragen Sie Rickards –, und sie ist ein Switch: genau das, was Fettes in seinen Anzeigen gesucht hat. Und zudem ist sie neu und unerfahren, weshalb ihr leicht Fehler unterlaufen können.« Es war nicht einfach gewesen, dem Constable das alles zu entlocken, ohne ihm zu verraten, worum es eigentlich ging, aber schließlich hatte Rickards doch ausgepackt.
»Sie ist es nicht! Sie sollten da draußen sein und dem verdammten Suchteam Beine machen, anstatt hier rumzuhocken und mir die Zeit zu stehlen!«
Logan wühlte in dem Bilderhaufen. »Hier – das ist das Phantombild des Fahrers. Wenn Sie sich den Schnauzer, die Brille und den Kinnbart wegdenken, gleicht es ihr aufs Haar.« Bei dem zweiten Bild hatte er allerdings ein bisschen geschummelt: Er hatte sich beim Bearbeiten an den verschiedenen Mikado -Plakaten orientiert, die Insch überall im Präsidium aufgehängt hatte, und dafür gesorgt, dass das neue Phantombild Debbie Kerrs Augen- und Mundpartie hatte. Die Ähnlichkeit war verblüffend. »Diese zweite Person hat es nie gegeben – das war alles sie.«
Insch nahm beide Bilder und hielt sie nebeneinander. »Ihr Gesicht ist mehr herzförmig. Das ist nicht …«
»Erinnern Sie sich noch, wie Debbie Sie in der Kneipe nachgemacht hat? Sie ist eine begnadete Imitatorin – wie schwer kann es da für sie gewesen sein, sich einen falschen Bart anzukleben und mit einem irischen Akzent zu sprechen?«
»Seien Sie doch nicht al…« Insch verstummte und starrte den Ausdruck an. »Das muss ein Zufall sein.«
»Sie bewegt sich sogar ganz genauso – schauen Sie sich das Video noch einmal an, dann werden Sie es sehen! Sie wissen, dass sie als Schauspielerin gut genug ist, um damit durchzukommen. Es heißt, BDSM würde einem erlauben, ein anderer Mensch zu sein – jemand, für den es keine Grenzen gibt. Das ist es, was sie auf der Bühne tut, nicht wahr? Sich in eine andere Person verwandeln!«
Der Inspector seufzte, zog die Stirn in Falten und fluchte. Logan wusste, dass es verdammt unwahrscheinlich klang, aber sein vernarbter Bauch sagte ihm, dass es stimmte: Die fantastische Debbie hatte Jason Fettes getötet. Jetzt musste er es nur noch beweisen.
Logan schnappte sich zwei Uniformierte und schickte sie los, Deborah Kerrs Personalien zu überprüfen. Er hoffte, dass dabei ein paar schwarze Flecken in ihrer Vergangenheit zutage treten würden: Drogen, Gewalttätigkeit, Strafzettel – er war da nicht wählerisch. Und wenn sie noch herausfänden, wohin sie Fettes verschleppt haben könnte – umso besser: die Häuser von Freunden oder Verwandten, eine angemietete Wohnung, ein Ferienhaus, eine geheime SM-Höhle, was auch immer. Kurz, genau die gleichen Nachforschungen, die sie über Frank Garvie angestellt hatten, bevor er sich das Leben genommen hatte.
Und dann machte er sich auf den Weg, um nach Inschs Suchteam zu sehen.
Der Wind pfiff durch die granitenen Häuserschluchten und raubte den vermummten Gestalten den letzten
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