Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
Verteilung der Aufträge. Er zog sie im Schweinsgalopp durch, in der Hoffnung, mit allem fertig zu sein, bevor der Inspector eintraf, und konnte sein Glück kaum fassen, als es ihm tatsächlich gelang.
Es war noch zu früh, um Deborah Kerrs Alibi zu überprüfen – die IT-Firma, bei der sie beschäftigt war, machte laut ihrer Website erst um neun Uhr auf; blieben also Rob Macintyres Mutter und seine Verlobte.
Logan entschied sich für das kleinere Übel.
Unten im Zellentrakt war es merkwürdig still; nur das gedämpfte Sägen eines Schnarchers in einer der Männerzellen drang über die kurze Betontreppe bis nach unten in den Frauenbereich. Ashley sah mitgenommen aus: die Frisur ganz schief, dunkle Ringe unter den geröteten Augen, aschfahles Gesicht, knallrote Nase. Offenbar hatte sie eine schlimme Nacht hinter sich, war in sich gegangen und hatte viel geweint. Sie hatte gelitten, und genau darauf setzte Logan seine Hoffnung. Kerzengerade und stocksteif saß sie auf ihrer blauen Plastikmatratze und schaute ihn nicht an, als er die säuerlich müffelnde Zelle betrat.
»Und«, fragte er, während er sich zu ihr auf die Pritsche setzte, »haben Sie inzwischen über das nachgedacht, was Sie gestern gesehen haben?«
Sie wich seinem Blick immer noch aus. »Als ich Robert kennengelernt habe, war er der coolste Typ, den man sich vorstellen konnte. Er war zwanzig und schwamm im Geld. Das Haus, die Autos, die Klamotten, die Urlaubsreisen …« Sie zog die Nase hoch. »Seine Mama war natürlich immer dabei, hat ihn nie aus den Augen gelassen. Eine starke Frau. Emotional gesehen, verstehen Sie? Sein Vater ist gestorben, da war ich ein halbes Jahr mit Robert zusammen, und sie hat nicht ein einziges Mal geweint. Als wär sie aus Stein. Und sie mochte mich. Sie hat gesagt, ich wäre anders als all die geldgierigen Schlampen, die schon die Krallen nach ihm ausgestreckt hatten. Die hat sie gehasst, aber zu mir war sie gut. Er war gut zu mir.«
»Aber er hat sich verändert, nicht wahr? Es ist etwas passiert.«
»Wir wollten eine Familie gründen. Zwei Jungen und ein Mädchen.« Sie hob den Blick von der Wand zu dem schmalen Fenster, das direkt unter der Decke verlief. Draußen war es noch dunkel, das geätzte Glas war milchig grau. Sie seufzte und hob eine Hand an ihren kleinen Babybauch. »Daraus wird jetzt wohl nichts mehr.«
»Ashley, Sie müssen nicht länger für ihn lügen. Er kann Ihnen nicht mehr wehtun.«
Jetzt sah sie ihn stirnrunzelnd an. »Er hat mir nie wehgetan. Ich hätte ihm ganz fix die Nase gebrochen, wenn er’s je versucht hätte. Und seine Mutter hätte ihn ungespitzt in den Boden gerammt!«
Logan nahm ihre Hand und blickte tief in ihre blutunterlaufenen Augen. Noch ein Versuch. »Denken Sie darüber nach, was Sie gestern gesehen haben. All diese Frauen. Sie …«
»Oh, ich habe viel nachgedacht.« Und sie lächelte. Es war, als sähe man zu, wie eine Wunde aufriss. »Ich muss heute um vier vor Gericht erscheinen wegen dieser Strafvereitelungsscheiße, die Sie mir anzuhängen versuchen. Ich werde dem Richter erzählen, dass Robert sich immer wie ein perfekter Gentleman benommen hat, und dass Sie alle Schweine sind. Und dann werde ich mit diesem Anwalt reden, der Robert rausgehauen hat, und euch Arschlöcher nach Strich und Faden verklagen.«
Er ließ ihre Hand los und stand auf. »Tun Sie das. Dann haben Sie wenigstens eine Beschäftigung, wenn Sie im Knast sitzen.« Worauf sie tatsächlich lachte.
»Ich bin schwanger, Sie Idiot. Schwangere Frauen werden nicht ins Gefängnis gesteckt. Sie haben nichts in der Hand – keine Beweise, keine Zeugen, gar nichts. Weil mein Robert nämlich unschuldig ist!«
Mrs. Macintyre hatte sich wesentlich besser gehalten als die Verlobte ihres Sohnes. Sie hatten die alte Frau in eine Zelle im Stockwerk darüber gesteckt, ganz am Ende des Ganges – eine von zwei Zellen, die vom Rest des Trakts durch ein schwarzes Metallgitter abgetrennt werden konnten. Sie lag flach auf dem Rücken, vollständig angekleidet, und starrte zur Decke empor, wo eine Werbung für die Crimestoppers-Hotline aufgemalt war. »Schade«, sagte Logan und lehnte sich an die Wand. »Hätte nicht gedacht, dass sie so leicht einknickt.«
Macintyres Mutter blieb einfach liegen. »Was wollen Sie denn jetzt schon wieder?«
»Ich rede von Ashley: eine Nacht in der Zelle, und sie erzählt mir alle möglichen interessanten Geschichten über den jungen Herrn Robby Macintyre.«
»Hat Ihre Mutter Ihnen nie
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