Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
zu wissen, wer das Ganze verzapft hatte: Der verfluchte Colin Miller hatte wieder zugeschlagen. Ihm fiel zum ersten Mal auf, dass der Beiname »Polizeiheld«, den Miller Logan regelmäßig anhängte, wenn er ihn in der Zeitung erwähnte, jetzt in ironischen Gänsefüßchen stand. Mit einer angewiderten Grimasse schüttete er den letzten labbrigen Rest seines Morgenkaffees ins Spülbecken und machte sich auf den Weg zur Arbeit.
DI Steel war nicht da, also musste Logan ohne sie mit der morgendlichen Einsatzbesprechung beginnen. Wieder einmal. Fünf Minuten vor Schluss kam sie hereingeschlurft und jammerte, dass sie gleich in aller Herrgottsfrühe zum Stellvertretenden beordert worden sei. Logan brachte die Besprechung zu Ende und sah Steel dann erwartungsvoll an. »Möchten Sie vielleicht noch irgendetwas hinzufügen, Inspector?«
»Allerdings …« Sie reckte die geballte Faust in die Höhe. » Mist bauen? Wir wissen gar nicht, wie das geht! « Schweigen. »Na kommt schon, Leute, ohne das gehen wir hier nicht raus. Mist bauen? Wir wissen gar nicht, wie das geht! « Und diesmal fielen alle ein. Logan bemühte sich, nicht laut zu stöhnen, als Steel wieder ihre »Ich kann euch nicht hören«-Nummer abzog. Endlich hatte sie genug und befahl ihnen allen, ihre müden Knochen in Bewegung zu setzen. Logan blieb zurück, als die Truppe zur Tür hinausschlurfte.
»Haben Sie schon die Morgenzeitung gesehen?«
Steel nickte. »Was glauben Sie denn, weshalb der Stellvertretende mich heute früh in sein Büro geschleift hat? Die Staatsanwältin entschwindet in den Urlaub und denkt, die Anklage gegen Macintyre ist schon in trockenen Tüchern, und vierundzwanzig Stunden später bricht alles zusammen.«
»Wir können ihm immer noch die fünf anderen Vergewaltigungen nachweisen.«
»Pfff …« Steel fischte ihre Zigaretten aus der Tasche und schielte missmutig in die Schachtel. »Klar, aber diese Sache mit Watt wird die Geschworenen bestimmt verunsichern: Wir haben uns im Fall Laura Shand geirrt, woher soll man also wissen, ob wir bei den anderen nicht auch Mist gebaut haben? Und derweil sitzt dieser Rob Macintyre seelenruhig da wie ein hässlicher kleiner Engel, während der gerissene Sandy ihm den Heiligenschein poliert.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich sag’s Ihnen, Insch mag ja ein miesepetriger alter Fettsack sein, aber diesen Fall wünsche ich nicht mal meinem ärgsten Feind an den Hals.«
Sie raffte sich von ihrem Stuhl auf, streckte sich ausgiebig und zog eine Grimasse. »Falls jemand fragt, ich bin eine rauchen. Steht bei Ihnen heute Morgen irgendwas an?«
»Laura Shand kommt um zehn wegen der Identifizierung. Sonst eigentlich nichts.« Erst nachdem er es gesagt hatte, bemerkte er seinen Fehler. Jetzt hatte Steel einen Vorwand, ihn mit Aufträgen zuzuschütten.
»Gut, dann können Sie schon mal den Spusis Feuer unterm Arsch machen wegen der Durchsuchung von Watts Haus – wollen doch mal sehen, ob der kleine Scheißer nicht noch für andere angebliche Opfer von Macintyre verantwortlich ist. Und wenn Sie schon dabei sind, lassen Sie gleich noch ein paar Leute mehr mit diesem Phantombild die Runde machen – irgendwer muss doch wissen, wer der Typ ist!« Sie hielt einen Moment inne und kratzte sich nachdenklich. »Und dem Schnarchsack, der die Zahnstatusrecherche macht, wer immer das ist, können Sie auch mal ein bisschen Dampf machen. Das ist hier schließlich ’ne Mordermittlung und kein Kindergeburtstag!«
Der Constable, der mit der Zahnstatusrecherche beauftragt war, saß an einem kleinen Schreibtisch in einer Ecke des Soko-Büros, umgeben von Bergen von Papier. PC Rickards hatte den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt und trug etwas in ein Formular ein. Logan wartete, bis er aufgelegt hatte. »Und, schon was rausgekriegt?«
Rickards zog ein entnervtes Gesicht und seufzte. »Es ist wie mit der Nadel im Heuhaufen. Die meisten Zahnärzte haben rund dreitausend Patienten in ihrer Kartei, und DI Steel will, dass ich sämtliche Praxen von Dundee bis Peterhead überprüfe. Das dauert ewig.«
»Sie schaffen das schon.« Logan wandte sich zum Gehen, doch Rickards zupfte ihn am Ärmel.
»Äh, Sir …« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Wegen des Opfers – mir ist da ein Gedanke gekommen …« Die Röte, die vom weißen Kragen seines Polizeihemds aufstieg, breitete sich aus, bis sein ganzes Gesicht die Farbe von gekochtem Schinken hatte. »Hat er … hat er vielleicht eine Narbe am
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