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Der erste Verdacht

Der erste Verdacht

Titel: Der erste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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schließen um sechs. Vom Jaegerdorffsplatsen dauert es nicht länger als fünfzehn, zwanzig Minuten bis zur Marina. Was tat er, bevor er dorthin fuhr?«
    »Keine Ahnung.«
    Tommy seufzte und stellte den Stift in die Tonvase, die seine jüngste Tochter im Kindergarten angefertigt hatte. Sie war knallgelb grundiert und mit roten Herzen bemalt. In die Mitte hatte sie in großen ungelenken Buchstaben PAPA geschrieben.
    »Wir gehen erst mal essen und suchen dann nach den Fingern. Ich glaube, das ist das Beste. Nicht zuletzt im Hinblick auf den Appetit. Glaubst du übrigens, dass die Eltern auch einen Finger bekommen haben?«, fragte er.
    »Bonettis Eltern? Einen Finger?«
    »Ja. Vielleicht versuchte der Mörder, sie ebenfalls zu erpressen. Wenn ihr nicht soundsoviel Millionen zahlt, schicken wir nächstes Mal den Kopf. So was in der Art.«
    »Nein. Das hätte mir seine Mutter ganz sicher erzählt. So etwas hätte sie nicht verheimlichen können. Du ahnst nicht, was für eine Kraft es sie gekostet hat, mir die Brille zu zeigen. Ihr Mann ist ein richtiger Tyrann. Obwohl er eingeknickt ist, als ich ihm von den verschwundenen Fingern erzählt habe. Das ist ihm wirklich nahe gegangen.«
    »Du glaubst also nicht, dass die Bonettis einen Finger erhalten haben?«
    »Nein.«
    »Wer käme sonst noch in Frage?«
    Gerade als Irene den Mund öffnen wollte, um zu sagen, sie habe nicht die geringste Ahnung, wurde ihr klar, wer einen, wenn nicht gar zwei erhalten haben könnte.
     
    Vorsichtig öffnete Elsy Kaegler die Tür einen Spalt. Irene hatte Tommy vorgeschoben, weil sie schon damit gerechnet hatte, dass Sannas Mutter öffnen würde. Ihre Miene erhellte sich, als sie Tommy sah.
    »Wie nett … ich meine … treten Sie doch ein. Sanna ist nicht … sie kommt vermutlich erst spät. Ludde ist gerade eingeschlafen«, plapperte Elsy.
    Irene fragte sich, wie es nur möglich sein konnte, dass sie die Mutter der eiskalt berechnenden Sanna war. Hatte sie eigentlich keine Arbeit? Oder war sie schon in Rente? Elsy sah nicht aus wie sechzig, aber man wusste ja nie.
    »Ich habe gerade Kaffee gekocht. Kuchen habe ich aber keinen … das macht doch nichts?«, fragte sie.
    »Wir trinken gern einen Kaffee«, sagten die beiden Kripoleute wie aus einem Mund.
    »An einem solchen Tag sollte man in der Glasveranda sitzen … aber mir ist es dort nicht geheuer. Schließlich ist der arme Kjell ja dort … brr! Wir setzen uns lieber ins Wohnzimmer«, fuhr Elsy ängstlich fort.
    »Ausgezeichnet. Ich helfe Ihnen beim Tragen«, sagte Tommy. Sie folgten Elsy in die Küche. Sie nahm ein paar hohe, stabile Gläser aus dem Schrank, aus denen man offenbar Kaffee trinken konnte.
    »Caffé latte«, erklärte Elsy.
    Sie erwärmte Milch in der Mikrowelle. Dann mischte sie die heiße Milch und den Kaffee aus der Kaffeemaschine im richtigen Verhältnis. Sie stellte die Gläser auf ein Tablett, und Tommy nahm es, ohne sein Gespräch mit Elsy zu unterbrechen. Die zwei gingen auf die Küchentür zu, während Irene noch ein wenig verweilte.
    »Ich nehme mir nur noch ein Glas Wasser und etwas Papier, um mich zu schnäuzen. Ich finde mich schon zurecht und komm dann gleich nach«, sagte sie.
    »In Ordnung«, meinte Tommy.
    Elsy schien so ins Gespräch mit Tommy vertieft, dass sie Irene gar nicht bemerkte und auch ihre Worte offensichtlich nicht registrierte.
    Rasch ging Irene auf die Edelstahltür des großen Gefrierschranks zu und öffnete sie. Es kribbelte in ihrer Magengrube. Leer.
    Der Schrank war vollkommen leer, es hatte sich noch kaum eine dünne Reifschicht gebildet. Ganz oben stand ein Gefäß für Eiswürfel. Sicherheitshalber schaute Irene hinein, aber nicht einmal einen Eiswürfel gab es. Enttäuscht schloss sie die Tür, holte ein Glas Wasser und folgte den beiden anderen ins Wohnzimmer.
    Tommy hatte keine Zeit verloren. Als Irene in einem der eierschalenfarbenen Sessel Platz nahm, hörte sie, wie er sagte:
    »Vielleicht können Sie uns ja einfach Ihren Schlüssel geben, dann müssen wir Sanna nicht behelligen. Bevor sie nach Hause kommt, sind wir mit dem Schlüssel wieder zurück.«
    Er lächelte Elsy vertrauenerweckend an.
    »Ja … doch … sie ist so gestresst und vollkommen am Boden zerstört, die Ärmste. Das war wirklich zu viel für sie … mit Kjell und Philip … das macht sicher nichts, wenn Sie den Schlüssel ausleihen … schließlich sind Sie von der Polizei!«
    Beim letzten Satz lächelte Elsy erneut.
    Sie beendeten das Kaffeetrinken so rasch wie

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