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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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kam und nach mir griff.
    Ich schaute nicht zurück, sondern machte mich davon und ging in die gleiche Richtung, aus der ich gekommen war. Dabei sagte ich mir, daß ich die Tür gar nicht hatte berühren wollen.
    Ahmed trottete neben mir her, sah mich von der Seite an und war plötzlich vor mir, wie ein riesengroßer Krebs.
    „Was ist denn los? Was ist denn?“
    „Sie ist nicht … Niemand war …“ Es war eine Lüge. Jemand oder etwas war in dem Haus. Vergiß es, leg noch einen Schritt zu.
    „Wohin gehen wir jetzt?“ fragte Ahmed.
    „Direkt in den Fluß hinein“, sagte ich und lachte. Es hörte sich komisch an und tat mir in der Brust weh, wie ein Husten. „Das Wasser ist eine Fata Morgana in der Wüste, und du gehst auf trockenem Sand und suchst nach Wasser, in dem du dich ersäufen kannst. Der Sand ist mit all dem verlorenen, getrockneten Zeug bedeckt, das du nicht sehen kannst. Du stirbst auf dem trockenen Sand, kriechst auf allen vieren und suchst nach Wasser. Niemand sieht dich. Über dir segeln die Leute dahin und sehen in den falschen Wellen die Reflektionen des Himmels. Taucher kommen und finden deine getrocknete Mumie auf dem Boden. Und sie machen sich Notizen, denn sie wundern sich, weil sie glauben, es sei Wasser in dem Fluß. Aber es ist alles trocken.“
    Ich hielt an. Vor uns waren die großen Docks und zwischen ihnen die uralten Landungsbrücken. Es hatte keinen Zweck, in diese oder eine andere Richtung zu gehen. Die Welt war verschrumpelt und alt, und der Staub von Jahrtausenden hatte sich auf ihre Mumienhülle gelegt. Wie ich so dastand, wurde die Welt noch kleiner und schloß sich um mich wie eine Schachtel. Ich war tot, lag auf der Nase und stand doch aufrecht auf dem Bürgersteig. Ich konnte mich nicht bewegen.
    „Ahmed“, sagte ich und hörte meine Stimme, als käme sie aus weiter Ferne, „hol' mich hier raus. Wozu hat man schließlich Freunde?“
    Er schwebte an mir vorbei wie ein böser Kobold. „Warum kannst du dir nicht selbst helfen?“
    „Ich kann mich nicht bewegen“, antwortete ich und kam mir dabei bemerkenswert vernünftig vor.
    Er umkreiste mich, sah sich mein Gesicht an und die Art, in der ich dastand. Er bewegte sich abrupt, wie eine Stechmücke, die die richtige Stelle für eine Attacke sucht. Ich sah mich, wie ich mit Insektenspray nach ihm schoß.
    Plötzlich setzte er wieder die Stimme ein, diese klare, tiefe, hypnotische Stimme, die auch die dunkle, private Welt durchdringt, in der ich schlafe und träume.
    „Warum kannst du dich nicht bewegen?“
    Unter meinen Füßen öffnete sich der Abgrund. „Weil ich dann fallen würde“, erwiderte ich.
    Wieder benutzte er die Stimme, und sie drang durch bis in die Innenwelt, in der die Träume lebten und immer wahr gewesen sind. Ich war verwelkt und schwach und lag auf Staub und Fetzen alter Kleider. Ich hatte einen fauligen und staubigen Geruch in der Nase und sah nach unten, über den Rand, aus dem die Luft nach oben stieg. Die Luft von unten schmeckte besser. Ich war schon ziemlich lange da. Ahmeds Stimme erreichte mich und fragte: „Wie tief könntest du fallen?“
    Ich versuchte es mit Augenmaß. Ich war müde, und das Nachdenken strengte mich sehr an. Drei bis vier Meter zu diesem Absatz, dann mit dem Fuß auf die Leiter, die dort liegt und damit dann auf die nächste Treppenflucht zu … Am Boden wartete der Tod.
    „Ein langer Weg“, erwiderte ich. „Ich bin zu schwer. Die Stufen sind zu steil.“
    „Dein Mund ist trocken“, sagte er.
    Ich spürte, wie der Durst mich beinahe verbrannte. Er dörrte meine Kehle aus und machte aus meiner Zunge ein unförmiges Ding, als er mir die Hauptfrage stellte.
    „Sag mir, wie du heißt.“
    Ich versuchte meinen richtigen Namen zu nennen – George Sanford. Aber eine andere Stimme krächzte: „Jean Dalais.“
    „Wo wohnst du?“ fragte er mit dieser durchdringenden Stimme, die im Inneren meines Kopfes Echos erzeugte und in der bösen Welt widerhallte, in der ich oder ein anderer auf dem Boden lag und den Staub ewigen Verfalls einatmete.
    „Die Treppe runter“, hörte ich mich sagen.
    „Und wo bist du jetzt?“ fragte die gleiche durchdringende Stimme.
    „In der Hölle“, antwortete die Stimme aus meinem Kopf.
    Ich holte aus, um ihn mit einem einzigen Schlag niederzustrecken. Er war gefährlich. Ich mußte ihn stoppen, damit er aufhörte. Voller Haß und mit großer Sorgfalt schlug ich zu. Er kippte nach hinten, und ich machte, daß ich wegkam. Ich rannte ohne Pause,

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