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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Solange du nicht mitmachst, bist du keiner von uns.“
    Ich hatte tagelang weder etwas gegessen noch getrunken. Auf der anderen Seite der Gitterstäbe betrat Nicholi ihren an meinem Tunnelende liegenden Schlafraum und zog sich aus, um in den Schlafsack zu steigen. Sie war zierlich und niedlich und hatte welliges, schwarzes Haar. Bevor sie von zu Hause weggelaufen war, hatte sie sich einen Spaß daraus gemacht, ihre Eltern gegeneinander aufzuhetzen, damit sie sich anschrien und einander prügelten. Sie liebte Aufregungen. Sie zog sich ganz langsam aus und tanzte dann geil vor mir herum. Sie hatte eine hübsche, wohlgeformte Figur.
    „Brüll' doch, George, brüll’! Du bist ein Tiger in einem Käfig.“
    „Hör’ auf damit“, sagte ich.
    In meinen Ohren klingelte laut das Telefon. Ich lag in einem Krankenhausbett, und Nicholi war vermutlich längst verhaftet worden.
    Auch Weeny war verhaftet worden. Man hatte ihn vor ein Computergericht gebracht, Beweise vorgelegt und ihn einem Lügendetektor ausgesetzt. Die Sonne war immer noch nicht am Himmel zu sehen, aber die Nacht wurde bereits blasser und zu einem verwaschenen Grau. Das Telefon klingelte immer noch. Es war ein Kissenlautsprecher; das Klingeln war unter meinem Ohr. Ich langte nach dem Bettpfosten, nahm das blinkende rote Licht und hielt den Empfänger an mein Ohr. „Hallo?“
    Ahmeds Stimme bellte: „Was soll das, daß du ans Telefon gehst? Ich hab’ dir doch gesagt, du sollst mit niemandem reden! Wo steckt Larry? Heraus damit!“
    „Ich,..“ Ich machte die Augen zu, drückte eine Hand gegen meine Schläfe und versuchte mich an die Stimme und die Augen des Jungen zu erinnern.
    „Warte einen Moment. Ich versuch’ mich auf ihn einzustimmen. Sekunde. Er ist in einem geschlossenen Raum. Er ist sicher und bringt seiner Mutter das Sprechen bei. Ich krieg’ seine Gefühle rein. Ist das irre. Ich komm1 aber nicht richtig an ihn ran.“
    „Versuch’s noch mal, George. Es ist wichtig. Er könnte die ganze Stadt in die Luft jagen.“
    „Er ist sehr nett und verrückt, Ahmed. Ich verstehe ihn nicht. Er denkt in fremdartigen, schnellen Bildern. Seine Eltern waren beide Computer-Ingenieure. Sie haben versucht ihn zu programmieren, statt mit ihm zu reden. Und damit haben sie ihn kaputtgemacht.“
    „Stimm’ dich auf ihn ein, George. Erzähl’ mir was von seiner Lebensphilosophie. Er hat dir doch allerhand beigebracht.“
    Ich machte die Augen auf und setzte mich im Bett aufrecht hin. Wenn Ahmed Larrys Gedankengänge wirklich dienlich waren, waren die zwei Wochen, die ich bei der Bande verbracht hatte, doch nicht für die Katz gewesen. Ich bemühte mich, die Sache zusammenzukriegen.
    „Larry glaubt, daß die meisten Techniker, Computerfachleute und Researcher Autisten sind. Was sie erfinden und produzieren, hat keinen Nutzen. Sie basteln sich nur eine Welt für sich und ihresgleichen zurecht – was mit uns geschieht, ist ihnen schnuppe. Autismus ist eine Kinderkrankheit. Autistische Kinder haben das Gefühl, allein in einer Welt seltsamer Tiere zu leben. Sie fürchten sich vor Menschen, die sich schnell bewegen, lachen oder in ihrer Umgebung zu laut reden. Sie sitzen ganz still auf einem Fleck, spielen mit Bauklötzen, zeichnen symbolhafte Bilder, erfinden Kodes und unterhalten sich mit imaginären Gefährten. Diejenigen, die nicht so krank sind, als daß man sie von den anderen trennen müßte, wachsen als Einzelgänger auf, ziehen sich in die Einsamkeit zurück – etwa in Klöster –, reden mit eingebildeten Gefährten – wie Heiligen, Geistern, Dämonen oder Gottheiten –, murmeln Gesänge, rezitieren Zauberformeln und werden von den Gesunden, die sie verfolgen, ausgelacht, weil sie glauben, daß es Zauberei gibt und Geister existieren. Die Wissenschaft hat den Autisten zu einem Beruf verholfen, der sich auszahlt: Hier gibt es Formeln und Sprüche, die wirken. Sie benutzen die Technologie für sich selbst. Da gibt es keinen Streß, keine schnellen Handlungen, kein Gelächter. Sie haben das ganze Bildungssystem in der Hand, bringen den Kindern bei, daß sie stillzusitzen haben, mit Symbolen arbeiten sollen und nicht miteinander reden dürfen – wie Autisten. Für gesunde Menschen gibt es heutzutage keinen Job mehr. Man muß mit Maschinen arbeiten, still an einem Schreibtisch sitzen und darf mit niemandem reden, außer per Telefon. Man redet mit Maschinen und geht allein nach Hause, wie ein Autist, wie sie alle. Man sitzt allein oder mit anderen herum,

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