Der Esper und die Stadt
würde.
Er erstarrte.
Die vier Priester schleiften mich immer noch rückwärts zum Altar. Meine Füße berührten ihn schon. Ich starrte weiter in die Augen des Hohepriesters.
Er gab den anderen ein Zeichen, daß sie aufhören sollten.
Sie gehorchten. Der Wind blies über uns hinweg, und die Sonne kam geradewegs von oben. Wir alle badeten in einem Licht, das keine Schatten warf. Die Unterpriester verdrehten meine Arme, bis ich mich nicht mehr rühren konnte. Dabei hielten sie mich so weit von sich entfernt, daß es mir unmöglich war, sie zu erreichen. Sie hatten keine Ahnung, worauf der Hohepriester wartete. Er schaute in den Himmel, um meinem Blick zu entkommen, und schloß die Augen vor der Helligkeit der Sonne.
Jetzt war zwar nicht die richtige Zeit für eine private Halluzination, aber plötzlich hatte ich wieder die meditierende Gruppe im Sinn, die vor dem gebirgigen Panorama unter den Pinien an der Pazifikküste gesessen hatte. „Wir haben einen großartigen Einfall, George.“
„Haut ab“, sagte ich im Geiste. „Ich habe zu tun. Ihr könnt ja zurückkommen und über Philosophie streiten, wenn ich schlafe.“ Ich versuchte rauszukriegen, was der Hohepriester vorhatte. Die sieben weißgekleideten Menschen vereinigten ihre ESP-Kräfte und fingen an zu rufen.
„Hier liegt deine Chance, George!“
„Kontrolliere ihren Geist!“
„Bring sie dazu, dich freizulassen und den Hohepriester auf dem Altar zu opfern!“
„Oder bring sie dazu, ihn festzuhalten, damit du ihn opfern kannst! Das macht dich automatisch zum Hohepriester. Du kannst den ganzen Aztekenkult an der Ostküste kontrollieren. Es geht um einen Haufen wichtiger Beamter, wichtiger Firmen, Spitzenpolitiker und Militärs. Die Mitgliederliste ist geheim, aber groß! Kontrolliere sie, George, kontrolliere sie!“
„Tu’s auf der Stelle! Das Fernsehen würde eine Sondersendung machen, George!“
„Bring das Gesindel unter deine Kontrolle!“
Ich hatte Angst. Sie versuchten mir etwas einzureden, das mir falsch vorkam, sehr falsch.
„Ich habe so was schon mal versucht. Es war schlecht. Es tut den Leuten weh, wenn man sie kontrolliert.“ Ich versuchte sorgfältig, es ihnen auseinanderzulegen. Ich kam mir vor wie ein Kind, das Erwachsenen ein schwieriges Problem erklärt. „Sie wissen nur, wie man das eigene Flugzeug zum Fliegen bringt.“
„Was könnte schon Schlimmes passieren, wenn du diese Sadisten kontrollierst? Du bist doch kein Sadist. Du kannst sie für uns kontrollieren. Wir haben tolle Pläne, um der Welt Frieden und Vernunft zu bringen“, sagte der Stimmenchor. Ich sah bittende, freundliche, redegewandte Gesichter in Nahaufnahme.
Ich konnte mit dem Denken nicht aufhören, mir wurde schwindlig, und ich hörte, wie in der Nähe ein Flugzeugmotor donnerte. Ich fühlte Trauer. „Ahmed und Ann werden abstürzen“, sagte ich. „Durch meine Schuld.“ Ich hätte heulen können.
Als sie die Furcht und die Schuldgefühle verspürten, wirbelten sie weg von mir. Sie waren so ängstlich und voller Schuldgefühle, als hätten sie mich umgebracht. „Das ergibt keinen Sinn. Er halluziniert. Da kommt schon wieder dieses verdammte silberne Alptraumflugzeug. Du halluzinierst. Wach auf! Wach auf!“
Ich öffnete die Augen. Ich stand immer noch und war nach hinten gebeugt. Das Messer war zwanzig Zentimeter von meiner Kehle entfernt. Ich sah, wie der Hohepriester mit geweitetem Blick meine Augen suchte. Seine Pupillen hatten sich vergrößert und wurden immer dunkler.
„Du trägst ein Kettenhemd, du Hundesohn“, sagte er auf englisch und fügte dann in einer anderen Sprache hinzu: „Warum liebe ich dich? Bist du real? Du bist mein anderes Ich, mein Traum-Ich, das ich jeden Morgen, bevor ich aufstehe, besiegen und verstecken muß. Was wird mit mir geschehen, wenn ich meinen eigenen Traumkörper umbringe?“
Obwohl er nur wenig Drogen geschluckt hatte, unterlag auch er der Massenhalluzination, die die anderen die Welt als einen großen, grünen Dschungel, in dem es in der Ferne nur ein paar weiße Pyramiden gab, sehen ließ. Er redete in einer vergessenen. Sprache und erwartete nicht, daß ich ihn verstand.
Aber da er zu einem Teil immer noch ein Angehöriger der modernen Welt war, brauchte er eine Entschuldigung, um sich erklären zu können, warum er innehielt.
„Ich bin nicht dein Traum-Ich, sondern ein Sonnenkurier, der deine Gestalt angenommen hat“, sagte ich in der gleichen fremdartigen Sprache. Und dann, plötzlich auf
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