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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Pal­me brin­gen ließ, wür­den sie mich der Fä­hig­keit be­rau­ben, dem Sys­tem ge­gen­über wü­tend zu sein. Und dann wür­de ich lä­cheln, wenn an­de­re Leu­te von ir­gend­wel­chen Vor­schrif­ten her­um­ge­sto­ßen wur­den.
    Die Zwangs­ja­cke und die Le­der­rie­men be­eng­ten mich kaum, den­noch konn­te ich mich nicht rüh­ren. Ein Arzt maß an mei­ner Hals­ar­te­rie mei­nen Puls­schlag. „Ge­wicht zwei­hun­dert?“ Er setz­te ei­ne Sprit­ze an ei­ne mar­kier­te Stel­le mei­nes Hal­ses und jag­te mir die gan­ze La­dung hin­ein. Die Aus­wir­kung der In­jek­ti­on be­stand aus ei­nem Zu­sam­men­zie­hen mei­ner Mus­ku­la­tur. Ich hat­te ein be­en­gen­des Ge­fühl in der Brust und be­kam Angst. Aber das lag an den Che­mi­ka­li­en und hat­te kei­ne Ähn­lich­keit mit mei­nen bis­he­ri­gen Ge­füh­len.
    Der Arzt trat zu­rück. Un­se­re Bli­cke tra­fen auf­ein­an­der, und ich ver­such­te ihn zu pa­cken, da­mit er das glei­che fühl­te wie ich. Ich ar­bei­te­te meis­tens un­ter Not­fall­be­din­gun­gen. Wäh­rend mei­ner ge­sam­ten Kind­heit hat­ten die Leh­rer für mich die For­mu­la­re aus­ge­füllt. Der Az­te­ken-Pries­ter hat­te die Op­fe­rungs­ze­re­mo­nie un­ter­bro­chen. Wenn der Arzt er­kann­te, daß er das glei­che fühl­te wie ich, wür­de er Angst krie­gen, daß die Ge­hirn­wä­sche auch ihn in Mit­lei­den­schaft zog – dann muß­te er die Be­hand­lung sa­bo­tie­ren. Aber ich konn­te mich nicht auf ihn ein­stim­men. Er war nicht rich­tig da. Er ver­folg­te einen Ge­dan­ken und hat­te ein Ge­fühl, daß ich we­der lo­ka­li­sie­ren noch ver­ste­hen konn­te.
    Der Arzt starr­te in mein Ge­sicht und ver­such­te dar­in zu le­sen, so wie ich in sei­nem. Wir ver­sag­ten bei­de. Mög­li­cher­wei­se frag­te er sich, warum ich nichts sag­te.
    Aber was ich auch sa­gen wür­de – nichts wür­de mich hier her­aus­brin­gen.
    Der Arzt und sei­ne Hel­fer gin­gen hin­aus. Die Tür schloß sich mit ei­nem sanf­ten Ge­räusch hin­ter ih­nen. Al­les war hier schall­dicht. Es war sehr still in die­sem Zim­mer, und die Wän­de wa­ren ge­pols­tert. Ich saß da, nicht be­engt, aber un­fä­hig zu ei­ner Be­we­gung, und hat­te Ka­bel an der Stirn und an mei­nem Hals­rücken.
    Hat­te ei­gent­lich je­der das Ver­lan­gen, an­de­re Men­schen ein­zu­sper­ren, um sich dar­an zu wei­den? Ich er­in­ner­te mich an das Macht- und Über­le­gen­heits­ge­fühl, das Wee­ny ver­spürt hat­te, als ich in dem Kä­fig lag und er frei war. Wee­ny war ei­ne arm­se­li­ge Per­sön­lich­keit, aber auf sei­ne jäm­mer­li­che Art war er doch eben ein Mensch. Er war kein Au­ßen­sei­ter, nur ein ge­mei­ner, schmut­zi­ger Mensch. (Man muß die Macht und das Ge­fühl, das sie ei­nem gibt, schme­cken. Wer an­de­re kon­trol­liert hat Freu­de an der MACHT und freut sich, frei zu sein. Ein Kit­zel auf mei­ner Stirn und ein wei­ßer Blitz in mei­nen Ge­dan­ken, der E LEK­TRI­ZI­TÄT er­zeugt.)
    Strom. Ver­tei­di­ge dich, Ge­or­ge. Geh’ das Bö­se an, in­dem du es ver­ste­hen lernst. Der Gu­ru hat­te mir die­sen Rat ge­ge­ben. Ich muß die Schwei­ne ver­ste­hen ler­nen und ih­nen ver­ge­ben – oder ich wer­de auf die glei­che Wei­se ster­ben wie Lar­ry. Der Arzt! Ich hat­te mich über den Arzt ge­är­gert! (Schock.) Ich muß ihn schnells­tens VER­STE­HEN . Ich tas­te­te nach ihm und fand ihn in ei­nem Raum mit dem Tech­ni­ker, der sei­ne In­stru­men­te be­ob­ach­te­te. Ich wur­de zu ihm und schau­te durch sei­ne Au­gen.
    Der Tech­ni­ker wand­te ihm den Rücken zu. Die Ska­len be­fan­den sich auf ei­ner ab­ge­schräg­ten Ar­ma­tur, und die Klein­bild­schir­me zeig­ten mit flat­tern­den Li­ni­en mei­ne Pul­stä­tig­keit an. Un­ter je­der Funk­ti­ons­tas­te be­fand sich ein ro­tes Schild, das dem Be­nut­zer War­nun­gen und In­struk­tio­nen ent­ge­gen­schrie. Die An­la­ge war idio­ten­si­cher. Durch die Au­gen des Arz­tes ver­such­te ich die Tex­te zu le­sen.
    Dem Arzt fiel plötz­lich auf, daß er die An­la­ge mit ei­nem Blick maß, als hät­te er sie nie zu­vor ge­se­hen. Er ver­such­te sich zu­sam­men­zu­rei­ßen. (Schock.) Er ver­such­te er selbst zu sein.

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