Der Esper und die Stadt
Palme bringen ließ, würden sie mich der Fähigkeit berauben, dem System gegenüber wütend zu sein. Und dann würde ich lächeln, wenn andere Leute von irgendwelchen Vorschriften herumgestoßen wurden.
Die Zwangsjacke und die Lederriemen beengten mich kaum, dennoch konnte ich mich nicht rühren. Ein Arzt maß an meiner Halsarterie meinen Pulsschlag. „Gewicht zweihundert?“ Er setzte eine Spritze an eine markierte Stelle meines Halses und jagte mir die ganze Ladung hinein. Die Auswirkung der Injektion bestand aus einem Zusammenziehen meiner Muskulatur. Ich hatte ein beengendes Gefühl in der Brust und bekam Angst. Aber das lag an den Chemikalien und hatte keine Ähnlichkeit mit meinen bisherigen Gefühlen.
Der Arzt trat zurück. Unsere Blicke trafen aufeinander, und ich versuchte ihn zu packen, damit er das gleiche fühlte wie ich. Ich arbeitete meistens unter Notfallbedingungen. Während meiner gesamten Kindheit hatten die Lehrer für mich die Formulare ausgefüllt. Der Azteken-Priester hatte die Opferungszeremonie unterbrochen. Wenn der Arzt erkannte, daß er das gleiche fühlte wie ich, würde er Angst kriegen, daß die Gehirnwäsche auch ihn in Mitleidenschaft zog – dann mußte er die Behandlung sabotieren. Aber ich konnte mich nicht auf ihn einstimmen. Er war nicht richtig da. Er verfolgte einen Gedanken und hatte ein Gefühl, daß ich weder lokalisieren noch verstehen konnte.
Der Arzt starrte in mein Gesicht und versuchte darin zu lesen, so wie ich in seinem. Wir versagten beide. Möglicherweise fragte er sich, warum ich nichts sagte.
Aber was ich auch sagen würde – nichts würde mich hier herausbringen.
Der Arzt und seine Helfer gingen hinaus. Die Tür schloß sich mit einem sanften Geräusch hinter ihnen. Alles war hier schalldicht. Es war sehr still in diesem Zimmer, und die Wände waren gepolstert. Ich saß da, nicht beengt, aber unfähig zu einer Bewegung, und hatte Kabel an der Stirn und an meinem Halsrücken.
Hatte eigentlich jeder das Verlangen, andere Menschen einzusperren, um sich daran zu weiden? Ich erinnerte mich an das Macht- und Überlegenheitsgefühl, das Weeny verspürt hatte, als ich in dem Käfig lag und er frei war. Weeny war eine armselige Persönlichkeit, aber auf seine jämmerliche Art war er doch eben ein Mensch. Er war kein Außenseiter, nur ein gemeiner, schmutziger Mensch. (Man muß die Macht und das Gefühl, das sie einem gibt, schmecken. Wer andere kontrolliert hat Freude an der MACHT und freut sich, frei zu sein. Ein Kitzel auf meiner Stirn und ein weißer Blitz in meinen Gedanken, der E LEKTRIZITÄT erzeugt.)
Strom. Verteidige dich, George. Geh’ das Böse an, indem du es verstehen lernst. Der Guru hatte mir diesen Rat gegeben. Ich muß die Schweine verstehen lernen und ihnen vergeben – oder ich werde auf die gleiche Weise sterben wie Larry. Der Arzt! Ich hatte mich über den Arzt geärgert! (Schock.) Ich muß ihn schnellstens VERSTEHEN . Ich tastete nach ihm und fand ihn in einem Raum mit dem Techniker, der seine Instrumente beobachtete. Ich wurde zu ihm und schaute durch seine Augen.
Der Techniker wandte ihm den Rücken zu. Die Skalen befanden sich auf einer abgeschrägten Armatur, und die Kleinbildschirme zeigten mit flatternden Linien meine Pulstätigkeit an. Unter jeder Funktionstaste befand sich ein rotes Schild, das dem Benutzer Warnungen und Instruktionen entgegenschrie. Die Anlage war idiotensicher. Durch die Augen des Arztes versuchte ich die Texte zu lesen.
Dem Arzt fiel plötzlich auf, daß er die Anlage mit einem Blick maß, als hätte er sie nie zuvor gesehen. Er versuchte sich zusammenzureißen. (Schock.) Er versuchte er selbst zu sein.
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