Der Esper und die Stadt
unterworfen, und nach dem Gesetz bist du frei. Man hat dir etwas gelöscht.“ Er hatte wohl Angst, daß sein alter Kumpel George nicht mehr derselbe war.
Das machte ihm zwar Sorgen, aber nicht mir. Ich weiß, wo ich mich verändert habe, und ich weiß auch, wie. Ich öffnete die Augen und starrte auf das Bettlaken, das nur zwei Zentimeter von meiner Nase entfernt war. Es bestand aus einer Filzfaser, wie diese großen Papierhandtücher. „Weder ich noch die anderen sind tot. Frag den Computer, ob es Sinn hat, der Polizei zu melden, daß ich all diesen Leuten eine Gehirnwäsche verpaßt habe.“
Ahmed atmete tief ein. Er stand immer noch über mir. „Willst du ihn das wirklich fragen?“
„Ja.“
Er murmelte etwas in den Armbandsender und wartete. „Er sagt, daß es kein Gesetz gibt, das dich für etwas verantwortlich machen kann, was bekanntermaßen unmöglich ist.“
„Ich bin froh, daß er das gesagt hat“, sagte ich. „Man hat mich soweit gebracht, daß ich nicht mehr anders konnte. Wenn jetzt ein Polizeiregiment hier hereinkäme, um mich festzunehmen … Ich glaube, ich brauchte ihnen nur zu sagen, sie sollen aus dem Fenster springen, und sie würden es tun. Möglicherweise werde ich noch eine Menge anderer unmöglicher Dinge tun.“
„Welchen Teil deines Ichs haben sie ausradiert, George? Dein Gewissen? Wen willst du als nächsten zur Schnecke machen?“
Ich nahm mit gekreuzten Beinen auf dem Bett Platz und fühlte, wie sich das Nachthemd auf meinem Rücken spannte. „Das solltest du nicht sagen. Daß ich es diesen Leuten gegeben habe, war ein Versehen, ein Unfall, eine Nebenwirkung. Aber dies hier ist etwas Besseres. Hör zu, Ahmed, es ist großartig. Ich habe vor kurzem entdeckt, daß ich Menschen steuern kann. Es ist eine Gabe.“
Ahmed sah mich wieder an und fauchte angewidert: „Eine Gabe, klar, für einen kleinen Hitler! Fröhliche Weihnachten, George, das Christkind hat dir gerade eine hübsche, glänzende Maschinenpistole gebracht!“
Das tat weh. Es war ein Schlag in den Unterleib. Als wäre Weihnachten ausgefallen. Und Ahmed hatte Schuld daran. Es tat weh. Plötzlich schrie ich; „Aber das ist doch ganz etwas anderes! Ganz was anderes! Ach, halt doch die Schnauze!“ Ich sah die Traumfragmente, die ich ablehnte, schob sie beiseite, versuchte mir einzureden, daß ich sie nie hatte haben wollen und keine Pläne in dieser Hinsicht hatte. Es waren die Träume, in denen ich selbst vorkam, mit einem Harem der begehrenswertesten Mädchen der Welt, denen ich befohlen hatte, unsterblich in mich verliebt zu sein. Ich sah das Gesicht Anns, ich sah ihre großen, liebevollen Augen und ihren nackten Leib – und ich schob alles beiseite. Ich sah mich in einem Traum als den Oberkommandierenden einer Armee; ich gab dem Präsidenten der Vereinten Nationen meine Anweisungen und sprach vor gewaltigen, gehorsamen Menschenmengen. Macht! Ich hatte die gleichen Machtphantasien wie die Hundesöhne, denen ich eine Gehirnwäsche verpaßt hatte!
Ahmed hatte all meine Träume von Macht und Ruhm zerstört. Er war ein Alpha, ein geborener Befehlsgeber. Er wußte, was die Macht war. Macht es etwa einen Unterschied, ob man den Leuten per Hypnose oder mit der Maschinenpistole in der Hand sagt, was sie tun sollen? Ich sah das Bild eines großen Schlägers, der den Leuten die Arme auf den Rücken drehte und sie so zum Gehorsam zwang. Ich? Ja, ich.
Ahmed hatte immer noch mehr drauf als ich. Das Blitzlicht seines Geistes zeigt Käfer in dunklen Ecken.
Ahmed grinste in einer sympathischen Art und übermittelte mir schweigend Botschaften in einer indianischen Zeichensprache.
Mir fiel ein, daß ich ihn angeschrien hatte. „Halt die Schnauze!“ hatte ich geschrien. Er konnte nicht
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