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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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„Ir­gend je­mand hier in der Ge­gend hat Schwie­rig­kei­ten, und du fängst es auf.“ Er sah von Os­ten nach We sten und stu­dier­te den Him­mel. „In wel­cher Rich­tung ist es am schlimms­ten? Wir müs­sen ihn schnells­tens fin­den.“
    Ich sah die Fifth Ave­nue hin­auf. Die ge­wal­ti­gen, glä­ser­nen Bü­ro­käs­ten leuch­te­ten und glit­zer­ten un­si­cher. Dun­kel­grü­ne Wol­ken bra­chen sich auf ih­rem Grau, als wür­den sie von dort aus zum Him­mel auf­stei­gen. Ich warf einen Blick auf die 42. Stra­ße und die großen Bö­gen des Trans­port­zen­trums. Ich sah die Fifth Ave­nue hin­un­ter, an den stei­ner­nen Lö­wen der Bi­blio­thek vor­bei und dann nach Wes­ten, wo die Ne­on­lich­ter Amü­se­ment ver­spra­chen. Die Dun­kel­heit kam wie mit Zäh­nen auf mich zu, wie ein rie­si­ger Schlund. Schwer zu be­schrei­ben.
    „Mann, es ist schlimm.“ Ich schlot­ter­te. „Es kommt aus al­len Rich­tun­gen. Aus der gan­zen Stadt!“
    „Das kann nicht sein“, sag­te Ah­med. „Es ist laut. Wir müs­sen ganz in der Nä­he des Op­fers sein.“
    Er führ­te sein Arm­band­funk­ge­rät an den Mund und drück­te den Si­gnal­knopf.
    „Sta­tis­tik bit­te.“
    Ei­ne Stim­me er­wi­der­te: „Sta­tis­tik.“
    Ah­med sag­te lang­sam: „Dies ist ein Not­ruf. Hier spricht Ret­tungs­bri­ga­dier vierund­fünf­zig B. Ge­ben Sie mir die heu­ti­gen Kran­ken­haus­auf­nah­men, al­le Zu­nah­men über Sig­ma ent­spre­chend drei­ßig. Ein­krei­sen die Zen­tren al­ler Ge­bie­te mit ei­nem schar­fen An­stieg …“ – er sah mich durch­drin­gend an – „… von Schwin­del­an­fäl­len, Er­schöp­fungs­er­schei­nun­gen und aku­ten De­pres­sio­nen.“ Wie­der mus­ter­te er mich. „Über­prü­fen Sie all­ge­mei­ne Angst­zu­stän­de und Hy­po­chon­drie.“ Dann war­te­te er dar­auf, daß die Sta­tis­ti­k­ab­tei­lung die ent­spre­chen­den Da­ten zu­sam­men­stell­te.
    Ich frag­te mich, ob ich nun stolz sein oder mich dar­über schä­men soll­te, daß ich mich krank fühl­te.
    Ah­med war­te­te. Er war schlank, tüch­tig, un­ge­dul­dig und hat­te schwar­ze Au­gen­brau­en und eben­sol­che, da­zu durch­drin­gen­de Au­gen. Er sah bei­na­he aus wie da­mals, als er zehn und ich neun ge­we­sen war. Sei­ne El­tern wa­ren Emi­gran­ten, spra­chen ir­gend­ei­ne nicht­ame­ri­ka­ni­sche Spra­che. Sie ge­hör­ten der stol­zen Sor­te an. Wenn an­de­re vor Haß oder Lie­be in ei­nem Kampf oder um ei­ne Freund­schaft er­glüh­ten, konn­ten Ah­med nur Ide­en in Brand ver­set­zen. Und sei­ne Ein­fal­le beim Spie­len hat­ten ihn zum Kö­nig un­se­rer Stra­ßen­ban­de ge­macht. Er hat­te uns in die tolls­ten Aben­teu­er ge­führt und in Ge­gen­den ge­bracht, die nur Er­wach­se­nen zu­gäng­lich wa­ren, da­mit wir was zu se­hen be­ka­men, und wenn wir in der Fal­le sa­ßen, brach­te er uns ent­we­der mit schnel­len Schrit­ten aus ihr her­aus oder leg­te die Er­wach­se­nen mit Wor­ten her­ein. Und ich ent­schied, ob ein Ort gut oder schlecht war. Wo es un­gut aus­sah, gin­gen wir nicht hin. Wenn Ah­med mich zu Ra­te zog und mich frag­te, wie der oder der Ort auf mich wirk­te, war ich im­mer stolz ge­we­sen.
    Und dann war er an uns vor­bei­ge­stürmt. Wir flo­gen al­le aus der High School, aber Ah­med be­kam gu­te No­ten, gra­du­ier­te und qua­li­fi­zier­te sich für ei­ne ge­ho­be­ne Aus­bil­dung. Die üb­ri­gen Mit­glie­der un­se­rer Ban­de hat­ten al­le ih­re Er­wach­se­nen­ren­te be­kom­men und die Stadt ver­las­sen. Au­ßer Ah­med und mir. Und ich wuß­te, daß Ah­med die bes­te Spür­na­se der Ret­tungs­bri­ga­de ge­wor­den war.
    Das Arm­band­funk­ge­rät pfiff, und er hielt es sich ans Ohr. Die dün­ne Stim­me ras­sel­te Zah­len und sta­tis­ti­sche Be­grif­fe her­un­ter. Ah­med sah sich die an uns vor­über­ge­hen­den Leu­te an. Er schi­en über­rascht zu sein. Schließ­lich schenk­te er mir einen re­spekt­vol­len Blick. „Es ist ganz Man­hat­tan. Frau­en kom­men mit ein­ge­bil­de­ten Schwan­ger­schaf­ten in die Hos­pi­tä­ler. Wirk­lich schwan­ge­re Frau­en wer­den ein­ge­lie­fert, weil sie Alp­träu­me ha­ben. Män­ner bil­den sich Ge­schwü­re und

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