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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Doch davon hatte sich nichts im Haus des Woiwoden gefunden.
    „Sie haben den Harem erbrochen!“ rief einer der Dolmetscher im Ausguck.
    Er wußte, was das hieß. Alle wußten es. Das Leben hatte die Menge dem Woiwoden gelassen, aber nun nahm sie ihm seine Ehre. Einen Mann von seinem Harem trennen, hieß ihn ehrlos machen. Einzelheiten waren von Tschardak mit dem bloßen Auge kaum zu sehen, geschweige einzelne Laute aus dem allgemeinen Brausen zu hören. Mit den Teleskopen jedoch las man das Kreisdien, Schreien und Jammern von den aufgerissenen Mündern der sich Sträubenden ab. Dem gewohnten Schutz entrissen, fremden Fäusten ausgeliefert und in kaum noch verhüllenden Bleibsein einer vordem reichen oder doch in jedem Fall ausreichenden Kleidung zu einer aufgeregten Menge hinausgestoßen, hatten diese Frauen und Mädchen auch wahrlich Grund genug zu der Verzweiflung, der sie sich hingaben. Ihre Unantastbarkeit, die jeder Rechtgläubige sonst respektiert hätte, war aufgehoben, denn jede Schmach, die man ihnen antat, galt ja ihrem Herrn, und man war sehr gewillt, auf den Woiwoden so viel Schmach zu häufen, wie man nur konnte. Und wenn wirklich eine weniger von dem berührt gewesen wäre, was ihr geschah, oder nach den unerforschlichen Regungen des Weibes gar einen geheimen Kitzel dabei verspürt hätte, so wäre es doch höchst abstoßend gewesen, wenn sie nicht ebenso wie alle andern einen unstillbaren Jammer gezeigt hätte. Noch etwas anderes unterließ keine: Mochten die Risse der Gewandungen auch noch so viel blanke Haut sehen lassen - mit einem Lappen, mit Armen, mit Händen bedeckten sie doch ihre Gesichter, so daß es dem Schrecken auf diese Weise auch nicht an Erbaulichkeit fehlte.
    Streng Verschlossenes war gesprengt worden und zeigte nun seinen Kern. Einen Teil von ihm zu erhaschen, streckten viele Hände sich aus, besonders die der Soldaten. Gerade die reiferen und derberen Frauen waren es, nach denen sie griffen. Wer im Harem sich den Künsten der Küche, des Schrubbens und Fegens gewidmet hatte, versprach einem Janitscharenhaushalt Nutzen, während die Damen und deren Dienerinnen, die auch wieder damenhaft waren, nur Angst vor ihrem Getue und ihren Ansprüchen einflößten. Die Erfahreneren lächelten über solche Tröpfe, die sich nicht abschrecken ließen. Was würden sie davon haben? Scherereien! Und hinterher etwa verkaufen? Kein Sklavenhändler nahm geraubte Ware.
    Es gab also Kluge und Törichte und großes Gedränge. Da hinein wurde aus dem Haus ein menschlicher Körper geschleudert, ein Wurfgeschoß, das sich eine Gasse brach, um in den Armen eines Janitscharen zu landen.
    „Eine Haremsfrau!“ rief Talmann.
    Es war auch wirklich eine Frau, und Talmann hatte Ursache, sich zu wundern. Ehe die Gasse sich hatte schließen können, stand sie bereits oben auf den Stufen, den Torpfeiler als Rückendeckung und in der Hand einen Säbel. Einen Janitscharensäbel. Vermutlich hatte sie ihn dem stolzen Krieger entwendet, auf den sie geprallt war. Jedenfalls hatte sie einen Säbel, und mit dem stand sie nun da. Nicht den geringsten Versuch machte sie, vor der Menge ihr Gesicht zu verbergen. - Talmann begriff überhaupt nichts.
    „Daß man sie nicht zusammenhaut. .. sind die Kerle denn so feige?“ „Feige nicht“, berichtigte der ältere Momars. „Aber vor nichts haben die türkischen Regulären so viel Achtung wie vor Mut. Und den hat dieser Satan. Sehen Euer Hochwohlgeboren?“
    Offenbar hatten es sich die Herren Soldaten Vorbehalten, dieses Abenteuer zu bestehen. Ein anderer Janitschar näherte sich jetzt, mit gezogenem Säbel zwar, aber auf eine Weise, als gelte es eine Volksbelustigung. Er tanzte um sein Opfer herum, ohne dessen Ruhe erschüttern zu können. Plötzlich fiel er aus, die Klingen trafen sich, und . .. der Ausfall war von der Dame pariert. Um zu zeigen, wie sehr er dieses Fechten nur für ein Spiel halte, warf der Angreifer seinen Säbel in die Luft, fing ihn wieder auf und wollte von neuem beginnen.
    Es blieb beim Versuch. Ein dritter Janitschar lenkte die Aufmerksamkeit auf sich, ein großer, massiger Mann. Allen sichtbar trat er aus dem Torbogen und schien dem Fechter etwas zuzurufen.
    „Das ist Mußli“, rief Mayer, „den kenn ich.“
    „Der Freund von diesem Patrona Chalil?“ fragte sein Chef. „Möchte wohl wissen, wo Ihr den kennengelernt habt.“
    „In einer verbotenen Weinkneipe natürlich“, antwortete der junge Herr mit größter Unbefangenheit. „Die Janitscharen

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