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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Haremsdame, die wohlverschnürt aus dem Teppich herausgerollt kam, das dicke Tuch aus dem Mund, das ihr Mußli hineingestopft hatte. „Womöglich hast du ein totes Mädchen angeschleppt. Welch ein Unverstand! Ihr den ganzen weiten Weg von Galata bis hierher die Luft abzuschneiden.“
    Beschir hatte sich zurückgezogen. Jetzt trat er vor.
    „Wo hast du sie her?“ erkundigte er sich.
    „Wer ist denn das da?“ fragte Mußli den Kameraden. „Die Hebamme?“
    „Kannst du nicht antworten?“ rief Beschir und schlug den Schleier zurück. „Wo du sie her hast, will ich wissen!“
    „Verneige dich, Mußli“, mahnte Chalil, „und sprich höflich zu Seiner Exzellenz.“
    Bei dem plötzlichen Hervortreten der schwarzen Gestalt hatte Mußli den Mund aufgerissen - bei dem Wort ,Exzellenz' klappte er ihn wieder zu; aber seine schöne Verneigung mit auf der Brust gekreuzten Armen war pure Vergeudung. Beschir sah sie nicht mehr. Er kniete bereits neben dem Mädchen.
    „Von Galata hab’ ich sie - aus - aus dem Woiwodenpalast, Exzellenz“, stotterte Mußli.
    Und dann hielten die Janitscharen den Atem an. Beschir spürte dem Herzschlag der Bewußtlosen nach. An Stoff hatte er nicht viel beiseite zu schieben. Er lag mit dem Ohr auf der weiblichen Brust und horchte. Nach einer Weile hob er den Kopf und besah sich die beiden Kameraden mit einer Miene, als habe er in seinem Leben schon sehr viel Schöneres gesehen.
    „Zwei Janitscharen“, sagte er und nickte ihnen zu, wobei jedes Nicken sein höchstes Mißfallen ausdrückte, „und Branntwein habt ihr natürlich auch nicht.“
    Darin aber irrte die hohe Exzellenz sich, und gerade Mußli war es, der ihm beflissen und stolz seine Feldflasche reichte. Und dann wunderten sich die beiden Krieger, mit welcher Zartheit die Exzellenz ihren Arm unter den Kopf des Mädchens legte, ihm den Mund öffnete, um mit ängstlicher Sorgfalt alten serbischen Pflaumenschnaps in ein Wesen zu tröpfeln, dem eine so gute Sache eigentlich gar nicht zukomme. Beschir jedoch fuhr damit fort, bis erste Schluckbewegungen sich einstellten. Dann ergriff er die Handgelenke des Mädchens und vollführte mit ihnen nach oben und unten kreisende Bewegungen hin und zurück. „Hast du mit ihr gesprochen?“ fragte er während dieser Tätigkeit, die den beiden Soldaten reichlich seltsam dünkte. „Dich mein’ ich, Janitschar Mußli.“
    „Nur wenig. Das meiste sprach sie.“
    Beschir war nicht überrascht, aber ungeduldig.
    „Nun, was denn? Sei nicht so maulfaul. Sprach sie türkisch?“ „Türkisch, ja - aber dazwischen auch deutsch.“
    Einen winzigen Augenblick hielt Beschir inne, um dann mit verdoppeltem Eifer mit seiner Beschäftigung fortzufahren.
    „Verstehst du denn deutsch?“
    „Ein paar Brocken verstehen wohl alle, die wir an der deutschen Front waren. Und ich stand sogar vor Wien.“
    „Es wäre besser gewesen, ihr hättet in Wien gestanden.“
    „Es war nicht Allahs Wille. Sein Name sei gepriesen.“
    „Also türkisch und deutsch sprach sie“, unterbrach der Kurator von Mekka und Medina Mußlis Hingabe an die Frömmigkeit. „Aber was zum Teufel sprach sie denn?!“
    „Schreckliche Worte. Lästerungen, Flüche. Man kann es nicht wiederholen. Geruhen deine Exzellenz, es mir zu erlassen.“
    „Vermutlich, daß du ein Hundsfott seist, ein Saumagen oder so ähnliches. Aber schon gut. Ich erlasse es dir. Vielleicht hat sie aber sonst noch etwas gesagt. Erzähle!“
    Dazu war Mußli durchaus geneigt, und so erzählte er die Geschichte mit dem Säbel, wobei er nicht hervorzuheben vergaß, wie er ihn ihr so ganz nebenbei aus der Hand gewunden habe.
    Wider Mußlis Erwarten waren Seine Exzellenz nur mäßig beglückt. „Aber außer, daß sie dich beschimpfte, hat sie eigentlich gar nichts gesagt?“ ging das Verhör weiter. „Oder dodi? Sagte sie etwa, daß sie eine große Hanum sei? Wie? Daß sie dem Woiwoden überhaupt nicht gehöre und nur von ihm festgehalten worden sei? Nicht? Auch irgendeine Gesandtschaft der Ungläubigen hat sie nicht erwähnt?“ Nein, von alledem habe sie nichts gesagt.
    Das war der Augenblick, in dem Seine Exzellenz es aufgab.
    „Ich glaube dir gern, daß du ein tüchtiger Mann bist, Mußli, besonders da du es selbst versicherst. Aber warum du die da hierher gebracht hast, weiß Allah, der Allwissende - ich weiß es nicht.“
    Jetzt jedoch wurde Mußli eifrig.
    „Als sie den Ausfall parierte, merkte ich gleich, daß sie sich aufs Fechten versteht. Geradezu leid tat

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