Der Eunuch
sind gute Moslemin, aber das hindert sie nicht, ebenso rechtschaffen zu saufen wie unsere Kürassiere.“
„Oder der Herr Mayer“, vermutete die halbe Exzellenz. „Weinkneipen scheint Ihr als Euer Hauptarbeitsgebiet zu betrachten.“
„Für den Dienst kaiserlich römischer Majestät ist mir nichts zuviel. Weinkneipen können ganz nützlich sein“, belehrte der Herr Sprachknabe seinen Chef, „wie hätte ich sonst Euer Gnaden eine Auskunft geben können?“
Seine Kollegen grinsten. Wenn der Sprachknabe Mayer einem Vorgesetzten - und nun gar dem höchsten! - mit Maulfertigkeiten diente, waren sie immer erbaut. Einer Antwort jedoch war Herr von Talmann enthoben. Die Vorgänge beim Woiwodenpalast waren anziehender als ein Wortgeplänkel im Tschardak.
Notgedrungen war die Aufmerksamkeit der streitbaren Dame ganz auf ihren Gegner gerichtet. Sie wußte nichts von der Nähe des Goliaths Mußli, der nun auf einmal ihre Rechte mitsamt dem Säbel in seiner Pranke hatte. Es half ihr nichts, daß sie ihn mit der Linken ins Gesicht schlug und sich wie eine Schlange wand. Gelassen öffnete er ihre Faust, gab den Säbel dessen Eigentümer zurück und warf das strampelnde Geschöpf sich über die Schulter, um damit im Gewühl zu verschwinden.
„Was meint Ihr, Mayer?“ fragte Talmann. „Ihr wißt ja alles. Was wird Euer Mußli mit ihr anfangen?“
„Den Mußli erkannte ich an der Gestalt. Es gibt nur einen von dieser Sorte. Aber sonst! Ich habe kein Fernrohr, und so weiß ich nicht, wie sie aussieht.“
Indessen wurde das Gedränge und Geraufe um die lebende Beute immer ärger. Unter diesen Umständen übersah man im Tschardak auch, daß Mußli mit einem teppichbeladenen Eselkarren einem Ziel zustrebte, das niemand kannte als er.
8
„Was tue ich mit einem leeren Haus?“ beschwerte sich Patrona Chalil bei einer völlig schwarz gekleideten und ebenso verschleierten Gestalt. Kein Mensch hätte zu sagen vermocht, ob sich etwa statt einer Frau ein Mann darunter verberge.
„Du tatest wohl, dich des Hauses zu bemächtigen. Der frühere Vorsteher der Fleischerzunft ließ es von dem meistgerühmten Architekten erbauen. Er war nicht einmal schlecht. Man sieht es am Haus und an den Möbeln. Der Zunftvorsteher war auch nicht so übel. Er hatte nicht nur Geld sondern zugleich Verstand genug, sich nicht einzumischen. So wurde das Haus später der Ehre gewürdigt, als kaiserlicher Palast innerhalb des Gartentores der eigenen Tochter des Padischahs zugesprochen zu werden. Und nun bist du, ohne Widerstand zu finden, mit deiner Rakije eingezogen. Du kannst es nicht leugnen, Janitschar: der erste Teil meines Versprechens ist erfüllt.“
„Wenn sich der zweite Teil ebenso erfüllt, wird Rakije den kaiserlichen Scherbet wohl in einer durchlöcherten Tasse kriegen. Kenne sich hier einer aus. Nicht einmal ein Ziehbrunnen ist zu finden.“ „Ziehbrunnen gibt es hier nicht, wohl aber Wände, aus denen Wasser fließt. Du brauchst nur an den richtigen Hähnen zu drehen.“
„Wie soll ich sie kennen? Glaubt deine Exzellenz, ein armer Janitschar wie ich verfüge über ein halbes Hundert von diesen feinen Dienern und Dienerinnen, die so einen Palast in Ordnung zu halten verstehen? Ich habe meinen Freund Mußli fortgeschickt, um ein oder zwei Mädchen zu greifen, damit sich Rakije so ganz allein in all diesen vielen Zimmern und Sälen nicht grault, wenn ich wieder auf den Fleischmarkt muß. Eigentlich hätte ich gar nicht wegdürfen.“
„Und Mußli hättest du nicht fortschicken sollen. Wenn du nicht auf dem Markt bist, muß wenigstens Mußli da sein. - Daß du kein Gesinde vorfandest, hätte dir die Macht des ,armen Janitscharen', der du bist, beweisen können. Schon dein Name genügte offenbar, daß die Leute ausrissen. Hättest du nicht auf mich warten können? Wenn ich das Haus verlassen habe, soll deine Rakije in die Hände klatschen, und sie wird bedient werden, als sei sie die Prinzessin selbst .. .
Wer ist das?“ Er lauschte. „Ein etwas schwerer Tritt für deine Rakije.“ „Die hat überhaupt keinen Tritt, die liegt und stöhnt.“ Patrona Chalil riß die Tür auf. „Hierher, Mußli!“
„Hier hab’ ich eins“, sagte Mußli schlicht, als er seine Last auf den Diwan warf.
„Was denn: ,eins‘?“ fragte Chalil, während er den Teppich aufrollte. „Laß sehen!“
„Was anderes als ein Mädchen oder was es sonst sein mag.“ „Freilich: ,was es sonst sein mag“!“ schalt Chalil und holte der kriegerischen
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