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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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vielleicht..."
    Weit weg? Nach Kaffa? Nein! Jetzt sei nicht der Augenblick der Entscheidung - die Entscheidung sei schon im Uferpalast zu Skutari gefallen. Dort habe Damad Ibrahim, Pascha von sechs Roßschweifen, das Osmanische Reich verraten, dessen Großwesir er sei. Vielleicht würde ein anderer an seiner, des Kislars, Stelle das, was er jetzt vorhabe, ebenfalls tun, um seinen Kopf zu retten, der mehr als nur gefährdet und so gut wie verloren sei, wenn alles bliebe, wie es war. Diesen Vorwurf - wenn er einer sei - könne er vor sich selbst zurückweisen. In Skutari habe er seinen Kopf hingehalten und die
    Klinge schon über seinem Nacken gefühlt. Daran, daß Ibrahim alles getan habe, sie zum Niedersausen zu bringen, zweifle er nicht. Nach Kaffa? Weit weg? In einigen Segeltagen sei Kalla zu erreichen. Nicht einmal Hadramaut im fernsten Arabien sei weit genug. Fatime Sultana sei sehr verliebt in ihren Mann. Vielleicht würde sie ihn begleiten. Und Fatime sei die Lieblingstochter Sultan Ahmeds, und Ibrahim sei nicht nur dessen Schwiegersohn, sondern auch mit Ahmed durch eine jahrzehntelange Freundschaft verbunden. Und da gebe es denn Bolen und Briefe von der Tochter zum Vater und vom Freund zum Freund, und eines Tages ... Nein! Was er, Beschir, tue, sei nur zu rechtfertigen, wenn er die Macht, die er haben müsse, auch erhalte, um sie nie mehr aus den Händen zu geben. Ibrahim müsse fort, weil er nicht der Großwesir des Reiches, sondern nur der seines Schwiegervaters sein wolle. Und der Padischah, die Quelle aller Macht, auch seiner, Beschirs eigener Macht, wenn er sie erränge? -Vierzehn Jahre habe Ahmed seinem Freunde Ibrahim die unumschränkte Macht überlassen, um sie dann plötzlich zu beschränken. Er habe sie nie aus den Händen geben oder nie zurückfordern dürfen. Auf Ahmed sei kein Verlaß. Mit tiefem Kummer erfüllte dieser Gedanke Beschir, aber auch mit einem kleinen Trost der andere, daß es aus der Zurückgezogenheit des Harems für einen abgedankten Padischah keine Wiederkehr zur Herrschaft gebe.
    Das lange Verstummen Beschirs bedrückte den Janitscharen. Schließlich brachte er sich in Erinnerung.
    „Hast du mir noch etwas zu sagen, Exzellenz?“
    Langsam wandte Beschir sich um.
    „Eine Kleinigkeit, mein Chalil. Und fürchte nicht, daß du zu spät auf den Fleischmarkt kommst. Sollte der Chassekiaga mit seiner Botschaft vor dir da sein, so werden sie nicht wissen, was sie wollen, bis du erscheinst, an den sie glauben. Das Ergebnis wird dir zum Ruhme gereichen.“
    „Und mir vielleicht auch den Dank des Padischahs eintragen?“ meinte Patrona Chalil selbstgefällig und erwartungsvoll.
    „Welches Padischahs?“
    „Nun, unseres! Sultan Ahmeds! Ich kenne keinen anderen.“ „Ich wohl. Den künftigen Sultan.“
    „Warum einen künftigen?“
    „Ich frage dich, mein Chalil. Wenn dir unvermutet einer an die Kehle spränge, so daß du dich ihm nicht entwinden könntest, und nun müßtest du ihm deine Rakije abtreten, damit er dich freigäbe - würdest du ihm hinterher deine Freigabe danken?“
    „Die Gedärme würde ich ihm austreten!“
    „Und du glaubst, daß Sultan Ahmed seine Macht weniger liebt, als du deine Rakije?“
    Patrona Chalil staunte seinen Meister an, als sei der ein überirdisches Wesen.
    „Also gut“, sagte Beschir, „wir bekommen einen neuen Padischah. Den Namen sage ich dir noch.“
    Nun ließ sich des Janitscharen Begeisterung nicht mehr dämmen. „Du bist ein großer Lehrer, Exzellenz. Und ich war ein großer Dummkopf.“
    „Du bist kein Dummkopf, du bist nur jünger als ich. Trachte danach, alt zu werden - es ist nicht immer ganz leicht, Chalil und du wirst ebensoviel und mehr wissen als ich.“
    „Und Ibrahim?“ fragte Chalil, der eine selbständige Entscheidung gar nicht mehr versuchte.
    „Er ist Sultan Ahmeds bester Freund, also nicht deiner.“
    „Außerdem ist er ein Mann der Feder und nicht des Schwertes“, ereiferte sich Patrona als gelehriger Schüler.
    „Wohlgesprochen, mein Freund.“
    „Das wird auf dem Fleischmarkt seine Wirkung tun!“
    „Und das Thronbesteigungsgeld“, erinnerte Beschir. „Oder hast du vergessen? Das Thronbesteigungsgeschenk, das euch unser neuer Padischah - Allahs Segen über ihn! - auszahlen lassen muß?“
    „Wie konnte ich das nur vergessen! Oh, Exzellenz, ich bin doch ein Dummkopf. Aber jetzt. .. Sei versichert! Und wie ich denen auf dem Fleischmarkt das mit dem Thronbesteigungsgeld einblasen werde!“ Beschir hielt die

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