Der ewige Gaertner
Mitte des Schlafsaals, im Gang zwischen den Betten, stand allein für sich Hausmutters Bügelbrett auf Rädern. Und auf dem Bügelbrett türmte sich ein arktischer Block aus zerklüfteten Laken, unter dem zwei monströse, halb menschliche Füße hervorragten, die Woodrow an die entenfüßigen Hausschuhe denken ließen, die Gloria und er ihrem Sohn Harry zu Weihnachten geschenkt hatten. Eine einzelne aufgedunsene Hand hatte irgendwie der Umhüllung entschlüpfen können. Die Finger waren von schwarzem Blut verkrustet, das an den Gelenken am dicksten war. Die Fingerspitzen waren bläulich grün. Wo bleibt Ihre Phantasie , Mister Kanzler . Wissen Sie , was bei dieser Hitze mit Leichen passiert?
»Mr Justin Quayle, bitte«, rief Dr. Banda Singh mit dem Timbre des Ausrufers bei einem Empfang am königlichen Hof.
»Ich begleite Sie«, murmelte Woodrow und trat gerade rechtzeitig nach vorn an Justins Seite, um zu sehen, wie Dr. Banda das Laken zurückschlug und Tessas Kopf zum Vorschein kam. Eine grobe Karikatur ihres Kopfes, um den sich vom Kinn bis zur Schädeldecke ein schmieriger Stoffstreifen wand, der auch um ihren Hals führte, wo sie einst die Kette getragen hatte. Wie ein Ertrinkender, der zum letzten Mal an die Oberfläche steigt, nahm Woodrow wild entschlossen alles in sich auf: ihre schwarzen, vom Kamm eines Leichenbestatters an den Schädel gekleisterten Haare. Die Wangen gebläht wie die einer Putte, die pustet um Wind zu erzeugen. Die Augen geschlossen, die Brauen hochgezogen, und der Mund in ungläubigem Staunen geöffnet. Darin verklumptes schwarzes Blut, als wären ihr alle Zähne gleichzeitig gezogen worden. Du? , keucht sie wie betäubt, als man sie umbringt, die Lippen zum U-Laut geformt. Du? Aber zu wem sagt sie es? Wen glotzt sie an durch ihre gedehnten weißen Augenlider?
»Kennen Sie diese Dame, Sir?«, erkundigte Inspektor Muramba sich behutsam bei Justin.
»Ja. Ja, danke«, antwortete Justin, jedes Wort sorgfältig abwägend. »Das ist meine Frau Tessa. Wir müssen uns um die Beerdigung kümmern, Sandy. Sie würde hier in Afrika begraben werden wollen, so schnell wie möglich. Sie ist ein Einzelkind. Sie hat keine Eltern mehr. Es gibt niemanden außer mir, der dazu befragt werden müsste. Also am besten so bald wie möglich.«
»Nun, vermutlich wird die Polizei da ein Wörtchen mitzureden haben«, brummte Woodrow und erreichte gerade noch rechtzeitig das gesprungene Waschbecken, wo er sich die Seele aus dem Leib kotzte, während der ewig ritterliche Justin ihm zur Seite stand, den Arm um ihn gelegt, und ihm leise Trost zusprach.
***
In dem mit Teppich ausgelegten Allerheiligsten des Gesandschaftsleiters las Mildren dem jungen Mann mit der ausdruckslosen Stimme am anderen Ende der Leitung langsam und deutlich Folgendes vor:
Mit großer Bestürzung gibt das Hochkommissariat den gewaltsamen Tod von Mrs Tessa Quayle, Gattin von Justin Quayle, dem Ersten Sekretär der Kanzlei, bekannt. Mrs Quayle starb am Ufer des Turkanasees, nahe der Allia Bay. Ihr Fahrer, Mr Noah Katanga, wurde ebenfalls getötet. Mrs Quayle wird uns wegen ihres Engagements für die Rechte der Frauen in Afrika, aber auch wegen ihrer Jugend und Schönheit in Erinnerung bleiben. Wir möchten Mrs Quayles Ehemann Justin und ihren Freunden unser tiefstes Mitgefühl ausdrücken. Die Flagge des Hochkommissariats wird bis auf weiteres auf Halbmast gesetzt. Ein Kondolenzbuch liegt in der Empfangshalle des Hochkommissariats aus. »Wann bringen Sie das?«
»Schon erledigt«, sagte der junge Mann.
ZWEITES KAPITEL
D ie Woodrows wohnten in einer exklusiven Kolonie von Natursteinhäusern mit bleiverglasten Fenstern im Tudorstil und großen englischen Gärten, die sich über die Hügel des Vorortes Muthaiga erstreckt, nur einen Steinwurf entfernt vom Muthaiga Club und der Residenz des britischen Hochkommissars sowie den Wohnsitzen zahlreicher Botschafter aus Ländern, von denen man wahrscheinlich nie gehört hat, bis man einmal die streng bewachten Alleen entlanggefahren ist und die Namenstafeln neben den Hinweisschildern entdeckt hat, die auf Kisuaheli vor bissigen Hunden warnen. Nach dem Bombenattentat auf die US-Botschaft in Nairobi hatte das Außenministerium die Häuser von allen Mitarbeitern im Dienstrang Woodrows und aufwärts mit massiven Eisentoren ausstatten lassen. Diese wurden rund um die Uhr gewissenhaft bewacht von temperamentvollen Baluhya samt Freunden und Verwandten. Zum Schutz der Gärten hatten dieselben klugen
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