Der ewige Gaertner
dass Gloria hätte in Tränen ausbrechen können, was sie später auch tat.
»Wir sind einfach froh , dass wir helfen können, Justin«, murmelte sie und küsste ihn behutsam auf die Wange.
»Und ich nehme an, es gibt nichts Neues von Arnold? Niemand hat angerufen, während wir unterwegs waren?«
»Tut mir Leid, mein Lieber, keinen Pieps. Wir sitzen natürlich alle wie auf glühenden Kohlen.« Er nahm es, dachte sie, natürlich wie ein Held.
Irgendwo im Hintergrund teilte Woodrow ihr in leidendem Ton mit, dass er noch auf eine Stunde ins Büro müsse, Schatz, er würde zwischendurch anrufen. Gloria beachtete ihn kaum. Wen hat der denn verloren, dachte sie bissig. Sie hörte Autotüren zuschlagen und den schwarzen Volkswagen wegfahren, doch sie kümmerte sich nicht darum. Ihr Blick ruhte auf Justin, ihrem Mündel, ihrem tragischen Helden. Justin, das wurde ihr jetzt bewusst, war ebenso ein Opfer dieser Tragödie wie Tessa. Tessa war tot, aber Justin war ein Kummer aufgebürdet worden, den zu erleiden ihm aufgetragen war bis ins Grab. Schon hatten seine Wangen an Farbe verloren, hatte sein Gang sich verändert und die Art, wie er die Dinge wahrnahm, die ihm begegneten. Glorias sorgsam gepflegte Staudenrabatten, nach seinen Vorgaben angepflanzt, würdigte er keines Blickes. Ebenso erging es den Essig- und den beiden Wildapfelbäumen, für deren Ableger sie ihm nichts hatte geben können, weil er es sich auf so reizende Weise verbeten hatte. Denn das war phantastisch an Justin, und Gloria hatte sich eigentlich nie richtig daran gewöhnen können – wie sie Elena im Zuge eines längeren Resümees am selben Abend anvertraute –, was für ungeheure Kenntnisse über Pflanzen und Blumen und Gärten er besaß. Und ich frage mich, wo um alles in der Welt hat er das her, El? Von seiner Mutter wahrscheinlich. War sie nicht eine halbe Dudley? Die Dudleys gärtnern ja alle wie verrückt, schon seit ewigen Zeiten. Wir sprechen hier nämlich von klassischer englischer Botanik , El, nicht von dem, was du in den Sonntagszeitungen zu lesen kriegst.
Nachdem sie ihn die Stufen zur Eingangstür hinauf, durch die Diele und über die Dienstbotentreppe hinunter ins Untergeschoss geleitet hatte, machte Gloria mit ihrem kostbaren Gast eine Führung durch die Gefängniszelle, die ihm für die Dauer der Haft das traute Heim ersetzen sollte: der verzogene Furnierholz-Kleiderschrank, hier können Sie Ihre Anzüge aufhängen, Justin – warum um Gottes willen hatte sie Ebediah nicht fünfzig Shilling mehr gegeben, damit er ihn anstrich? –, die wurmzerfressene Kommode für Ihre Hemden und Socken – warum nur hatte sie nie daran gedacht, sie mit Papier auszulegen?
Doch wie immer war es Justin, der sich entschuldigte. »Ich fürchte, ich habe nicht viel, was ich hineinlegen könnte, Gloria. Mein Haus wird von Bluthunden belagert, und Mustafa muss den Telefonhörer danebengelegt haben. Sandy war so nett, mir anzubieten, dass ich mir von ihm leihen kann, was ich brauche, bis wir Gelegenheit haben, etwas herüberzuschmuggeln.«
»Oh, Justin, wie dumm von mir«, rief Gloria errötend.
Doch dann bestand sie darauf – entweder weil sie ihn nicht allein lassen wollte, oder weil sie nicht wusste, wie sie das anstellen sollte –, ihm alles zu zeigen, den furchtbaren, mit Trinkwasserflaschen und Mixgetränken voll gestopften alten Kühlschrank – warum hatte sie das verfaulende Gummi nie erneuern lassen? – und das Eis hier, Justin, halten Sie die Schale einfach unter den Wasserhahn, um es herauszubrechen – und den Elektrokocher aus Plastik, den sie schon immer gehasst hatte, den Marmeladentopf aus Ilfracombe mit den Tetley-Teebeuteln und einem nicht zu übersehenden Sprung, die zerbeulte Huntley-&-Palmer’s-Dose mit Zuckerkeksen, falls er vorm Zubettgehen noch etwas naschen wollte – Sandy mag immer, obwohl ihm der Arzt geraten hat, abzunehmen. Und schließlich – Gott sei Dank wenigstens etwas , das in Ordnung ist! – die prachtvolle Vase mit den bunten Löwenmäulchen, die sie nach seinen Anweisungen ausgesät und aufgezogen hatte.
»Nun, dann lass ich Sie mal in Ruhe«, sagte sie, doch schon an der Tür, bemerkte sie zu ihrer Schande, dass sie ihm noch nicht ihr Beileid ausgesprochen hatte. »Justin, Darling …«, begann sie.
»Danke, Gloria, das ist wirklich nicht nötig«, unterbrach er sie mit überraschendem Nachdruck.
Um ihre Gefühlsbezeigung betrogen, mühte sich Gloria, zu einem nüchternen Tonfall zurückzufinden. »Ja,
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