Der ewige Gaertner
ernst.
»Hat sie Backups gemacht?«
»Ich habe alles gelesen, was sie ausgedruckt hat.«
»Ich rede nicht von Ausdrucken! Hat sie Disketten gemacht?«
»Wir haben keine gefunden. Wir vermuten, sie hat sie in den Norden mitgenommen.«
»In den Norden? Was soll das heißen? Warum hat sie sich nicht alles als E-Mail in den Norden geschickt? Warum muss sie Disketten in den Norden schleppen? Versteh ich nicht. Kapier ich einfach nicht.«
Justin denkt an Ham, und dann wieder an Guido. Auch in Hams Computer war ein Virus eingedrungen.
»Du hast erzählt, sie habe dir oft E-Mails geschickt«, sagt er.
»Ungefähr einmal in der Woche. Zweimal. Wenn sie’s in einer Woche vergessen hat, dann zweimal in der nächsten.« Er spricht Italienisch. Er ist wieder ein Kind, so verloren wie an dem Tag, an dem Tessa ihn gefunden hat.
»Hast du nach deinen E-Mails gesehen, seit sie ermordet wurde?«
Guido schüttelt heftig den Kopf. Das wäre zu viel für ihn gewesen. Das hätte er nicht über sich gebracht.
»Dann könnten wir vielleicht zu dir nach Hause gehen und nachsehen, ob da was ist. Einverstanden? Du hast doch nichts dagegen?«
Als er zwischen den sich schon verdunkelnden Bäumen den Berg hinauffuhr, dachte Justin an nichts und niemanden, außer an Guido. Guido war ein verletzter Freund, und Justin hatte nur den einen Wunsch, ihn sicher nach Hause zu seiner Mutter zu bringen, seine Ruhe wiederherzustellen und dafür zu sorgen, dass er aufhörte, Trübsal zu blasen, dass er wieder so wurde wie früher: ein zwölfjähriges Genie voll gesunder Arroganz; dass er nicht ein Krüppel blieb, dessen Leben mit Tessas Tod geendet hatte. Und wenn sie – wer auch immer das sein mochte – mit Guidos Computer dasselbe gemacht hatten wie mit Hams und Tessas, und Justin vermutete das, dann brauchte der Junge jemanden, der ihm so gut es ging Trost spendete und Mut zusprach. Das war das Einzige, was für Justin zählte, es schloss alle anderen Ziele und Gefühle aus, denn sich mit ihnen zu beschäftigen, hätte Anarchie bedeutet. Es hätte bedeutet, vom Pfad rationaler Nachforschungen abzuweichen und die Suche nach Rache mit der Suche nach Tessa zu verwechseln.
Er stellte das Auto ab und schob Guido mit einem Anflug von Fatalismus eine Hand unter den Arm. Und zu Justins Überraschung schüttelte Guido sie nicht ab. Seine Mutter hatte einen Eintopf zubereitet, und frisches Brot, auf das sie besonders stolz war, und Justin bestand darauf, dass sie beide zunächst etwas davon aßen, und er lobte das Essen, während sie ihnen wachsam zusah. Dann holte Guido den Computer aus seinem Zimmer. Vorläufig gingen sie noch nicht online, sondern saßen Schulter an Schulter und lasen Tessas Berichte über die schlafenden Löwen, die sie auf ihren Reisen gesehen hatte, und die SCHRECKLICH verspielten Elefanten, die sich, hätte sie ihnen auch nur die kleinste Gelegenheit dazu gegeben, auf ihren Jeep gesetzt und ihn zerdrückt hätten, und die wirklich HOCHMÜTIGEN Giraffen, die NUR glücklich waren, wenn jemand ihren eleganten Hals bewunderte.
»Möchtest du eine Diskette mit allen E-Mails von ihr?«, fragte Guido, der spürte, dass Justin mehr davon nicht ertragen konnte.
»Das wäre zu freundlich«, sagte Justin ausgesucht höflich. »Und ich möchte auch, dass du mir Kopien von deinen Sachen machst, damit ich sie in Ruhe lesen und dir schreiben kann: deine Aufsätze, deine Hausaufgaben und alles, was du Tessa gern gezeigt hättest.«
Als die Disketten fertig waren, verband Guido das Modem mit dem Telefonanschluss, und sie sahen eine prächtige Herde Thomsongazellen über den Bildschirm galoppieren, der dann aber sofort schwarz wurde. Guido versuchte, zum Desktop zurückzukehren, doch schließlich erklärte er mit belegter Stimme, die Festplatte sei gelöscht worden, genau wie die von Tessa, nur dass hier der verrückte Text über klinische Tests und toxische Stoffe fehlte.
»Und sie hat dir nichts geschickt, was du für sie aufbewahren solltest?«, fragte Justin. Er fand, er hörte sich an wie ein Zollbeamter.
Guido schüttelte den Kopf.
»Nichts, das du an irgendwen weitergeben solltest – sie hat dich nicht als Postamt benutzt oder so?«
Wieder Kopfschütteln.
»Hast du denn jetzt irgendwas verloren, was dir wichtig ist?«
»Nur ihre letzten E-Mails«, flüsterte Guido.
»Na, dann sind wir ja schon zu zweit.« Beziehungsweise zu dritt, wenn man Ham mitzählt, dachte er. »Also, wenn ich das verkraften kann, kannst du es auch.
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