Der ewige Gaertner
Immerhin war ich mit ihr verheiratet. Okay? Vielleicht war in ihrem Computer irgendein Virus, und der hat deinen angesteckt. Wäre das möglich? Sie hat sich was eingefangen und es an dich weitergegeben, ohne es zu merken. Ja? Ich weiß nicht, wovon ich rede, okay? Ich rate. Ich will damit nur ausdrücken, dass wir es niemals wissen werden. Also können wir auch einfach sagen: ›Pech gehabt‹, und uns wieder dem Leben zuwenden. Wir beide. Ja? Und du lässt dir alles kommen, was du brauchst, um das Ding hier wieder in Gang zu setzen. Hörst du? Ich sage dem Büro in Mailand Bescheid, dass sie demnächst von dir hören werden.«
Einigermaßen zuversichtlich, dass Guido sich wieder gefangen hatte, brach Justin auf; das heißt, er fuhr den Hügel hinunter zur Villa, parkte den Jeep auf dem Hof, wo er ihn vorgefunden hatte, holte Tessas Laptop aus dem Ölraum und ging damit ans Meer. Man hatte ihm auf verschiedenen Lehrgängen erklärt, und er glaubte es auch ohne weiteres, dass gewisse clevere Menschen durchaus in der Lage waren, den Text von einer angeblich gelöschten Festplatte wiederherzustellen. Aber solche Leute lebten auf der offiziellen Seite des Lebens, von der er sich längst verabschiedet hatte. Er überlegte, ob er mit Rob und Lesley Kontakt aufnehmen und sie dazu bewegen sollte, ihm zu helfen, aber er wollte sie nicht in Verlegenheit bringen. Außerdem, wenn er ehrlich war, kam ihm Tessas Computer irgendwie besudelt vor, es haftete ihm etwas Obszönes an, das Justin im physischen Sinn loswerden wollte.
Also ging er im Schein des weitgehend verhangenen Mondes auf einen baufälligen Pier hinaus. Auf halbem Weg kam er an einem alten, ihm ziemlich übertrieben scheinenden Schild vorbei, auf dem stand, wer sich jetzt noch weiter vorwage, tue das auf eigene Gefahr. Am Ende des Piers angekommen, übergab er Tessas vergewaltigten Computer der See, dann kehrte er in den Ölraum zurück, um sich bis zum frühen Morgen seine Sorgen von der Seele zu schreiben.
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Lieber Ham,
beiliegend der Erste einer hoffentlich langen Reihe von Briefen an deine liebe Tante. Ich möchte nicht rührselig erscheinen, aber falls ich unter einen Bus geraten sollte, habe ich eine Bitte an dich: Übergib sämtliche Dokumente persönlich dem niederträchtigsten und gemeinsten Angehörigen deines Berufsstandes, zahl ihm, was er will, und bring den Stein ins Rollen. Auf die Art erweisen wir beide Tessa einen guten Dienst.
Dein Justin
FÜNFZEHNTES KAPITEL
S andy Woodrow hatte bis spät in den Abend, als der Whisky endlich die Oberhand über ihn gewann, treu auf seinem Posten im Hochkommissariat ausgeharrt und an seinem Auftritt bei der für den nächsten Tag angesetzten Kanzleibesprechung gefeilt, hatte ihn kritisch durch die Hierarchie seines dienstlichen Ichs nach oben und dann durch jenes andere Ich wieder nach unten wandern lassen, das ihn wie ein unberechenbares Gegengewicht ohne jede Vorwarnung in einen Tumult anklagender Gespenster herabzog und ihn zwang, ihr Geschrei zu übertönen: Ihr existiert gar nicht, ihr seid nur verirrte Randgestalten; ihr habt überhaupt nichts damit zu tun, dass Porter Coleridge urplötzlich nach London abgereist ist, mit Frau und Kind und der fragwürdigen Begründung, er habe sich spontan entschlossen, Heimaturlaub zu nehmen, um eine geeignete Schule für Rosie zu suchen.
Manchmal waren seine Gedanken auf eigene Faust abgeschweift und hatten sich mit höchst subversiven Themen beschäftigt: Scheidung in gegenseitigem Einvernehmen; ob Ghita Pearson oder diese Tara Soundso, die Neue in der Handelsabteilung, als Lebenspartnerin in Frage kommen könnte und, falls ja, welche von ihnen den Jungen eher zusagen würde. Oder ob es nicht am Ende doch besser wäre, dieses Einzelgängerdasein fortzusetzen, von solchen Verbindungen zu träumen, keine zu finden, den Traum in immer weitere Ferne entgleiten zu sehen. Als er dann mit verriegelten Wagentüren und geschlossenen Fenstern nach Hause fuhr, war er jedoch schon wieder imstande, sich als treu sorgenden Familienvater und Ehemann zu sehen – na schön, stets bereit, gewissen Anträgen ein geneigtes Ohr zu leihen, welcher Mann wäre das nicht? –, aber letztlich immer noch der anständige, loyale, vernünftige Soldatensohn, in den Gloria sich vor all den Jahren Hals über Kopf verliebt hatte. Als er sein Haus betrat, war er daher überrascht, um nicht zu sagen verletzt, dass Gloria seine guten Absichten keineswegs telepathisch erahnt hatte und für ihn
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