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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Untergeschoss. Und am Montag, das hätte er sich nun wirklich niemals träumen lassen, der Krach mit der alten Hexe Elena, casus belli unbekannt.
    »Sollten wir nicht mal wieder El und ihren Mann zum Essen einladen, Darling?«, hatte er tapfer vorgeschlagen. »Mit den beiden haben wir schon seit Monaten keinen mehr draufgemacht.«
    »Wenn du sie hier haben willst, frag sie doch selbst«, hatte Gloria eisig erwidert, und dabei war es geblieben.
    Aber er spürte den Verlust. Gloria ohne Freundin war wie ein Haifisch ohne Zähne. Die Tatsache – die außerordentliche Tatsache –, dass sie mit der rehäugigen Ghita Pearson eine Art bewaffneten Waffenstillstand geschlossen hatte, tröstete ihn ganz und gar nicht. Noch vor zwei Monaten hatte Gloria behauptet, Ghita sei weder Fisch noch Fleisch. »Mit englisch erzogenen Brahmanentöchtern, die reden wie wir und sich kleiden wie Derwische, kann ich nichts anfangen«, hatte sie in Woodrows Hörweite zu Elena gesagt. »Außerdem übt die Quayle einen schlechten Einfluss auf sie aus.« Na ja, jetzt war die Quayle tot, und Elena kaltgestellt. Und Ghita, die sich wie ein Derwisch kleidete, war angeheuert worden, Gloria auf eine Führung durch den Slum von Kibera mitzunehmen, mit der groß angekündigten Absicht, sie als Freiwillige bei einer Hilfsorganisation unterzubringen. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, als Ghitas eigenes Verhalten Woodrow ernsthaft Sorgen bereitete.
    Da war zunächst einmal ihr Verhalten bei der Beerdigung. Gewiss, es steht nirgends geschrieben, wie man sich bei Beerdigungen zu benehmen hat. Trotzdem fand Woodrow ihre Aufführung unerhört. Dann hatte sie eine Phase, wie er sagen würde, aggressiver Trauer durchlebt: Da war sie wie ein Zombie durch die Kanzlei geirrt und hatte sich schlichtweg geweigert, Blickkontakt mit ihm aufzunehmen, und das, obwohl er sie doch früher immerhin als – nun, sagen wir: Kandidatin – betrachtet hatte. Und vorigen Freitag hatte sie, ohne irgendeine Erklärung abzugeben, gefragt, ob sie den Tag frei haben könne; dabei besaß sie als brandneue – und jüngste – Mitarbeiterin der Kanzlei im Prinzip noch gar keinen Anspruch auf so etwas. Doch in seiner Herzensgüte hatte er gesagt: »Nun gut, Ghita, in Ordnung, meinetwegen, aber lassen Sie ihn leben« – nichts Beleidigendes, nur ein harmloser Scherz zwischen einem verheirateten älteren Mann und einem hübschen jungen Mädchen. Doch wenn Blicke töten könnten, hätte er leblos zu ihren Füßen gelegen.
    Und was hatte sie mit der Zeit angefangen, die er ihr geschenkt hatte – ohne auch nur zu fragen? Sie war zusammen mit einem Dutzend anderer weiblicher Mitglieder des selbst ernannten Klubs der Tessa-Quayle-Anhänger mit einer Chartermaschine an den verfluchten Turkanasee geflogen und hatte an der Stelle, an der Tessa und Noah ermordet worden waren, einen Kranz niedergelegt, die Trommel geschlagen und Kirchenlieder gesungen! Woodrow erfuhr davon erst am Montag beim Frühstück, als er den Nairobi Standard aufschlug und ein Foto erblickte, auf dem sie zwischen zwei riesigen Afrikanerinnen posierte, an die er sich von der Beerdigung her vage erinnerte.
    »Ha, Ghita Pearson, hab ich dich«, hatte er geschnaubt und Gloria die Zeitung über den Tisch zugeworfen. »Also wirklich, Herrgott, man soll die Toten ruhen lassen und sie nicht alle zehn Minuten wieder ausgraben. Ich dachte immer, sie schwärmt für Justin.«
    »Wenn wir nicht den italienischen Botschafter hier gehabt hätten, wäre ich auch hingeflogen«, hatte Gloria mit vorwurfsvoller Stimme erwidert.
    Das Licht im Schlafzimmer war aus. Gloria tat so, als schliefe sie.
    ***
    »Wenn wir nun bitte alle Platz nehmen wollen, meine Damen und Herren?« Im Stockwerk über ihnen kreischte ein Elektrobohrer. Woodrow schickte Mildren los, ihn zum Schweigen zu bringen, und machte sich unterdessen demonstrativ an den Papieren auf seinem Schreibtisch zu schaffen. Das Kreischen brach ab. Woodrow ließ sich Zeit, blickte auf und sah die ganze Mannschaft vor sich, auch den atemlosen Mildren. Ausnahmsweise waren Tim Donohue und seine Assistentin Sheila ebenfalls um Teilnahme gebeten worden. Im Moment fanden keine Besprechungen des Hochkommissars statt, zu der die komplette Botschaftsbesatzung einberufen wurde, doch Woodrow hatte in diesem Fall auf vollzähligem Erscheinen bestanden. Daher auch der Militär- und der Geheimdienstattaché sowie Barney Long von der Handelsabteilung. Und die bedauernswerte Sally Aitken, die immerzu

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