Der ewige Gaertner

teilzunehmen?«
    »Captain McKenzie war hier. Und er hatte mehr mit Tessa zu tun als ich, Kleine, sehr viel mehr.« Sarah verstummte und schaute eine Weile lächelnd zu den Sternen hinauf; Ghita hatte den Eindruck, sie versuchte zu einer Entscheidung zu gelangen – ob sie alles erzählen oder ihre Geheimnisse für sich behalten sollte, eine Frage, die Ghita sich in den letzten drei Wochen auch des Öfteren gestellt hatte.
    »Also gut«, fuhr Sarah schließlich fort. »Ich habe dir zugehört, ich habe dich beobachtet und sorgfältig über dich nachgedacht. Und ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass du ein intelligentes Mädchen bist und ein guter, anständiger Mensch mit einem ausgeprägten Verantwortungsgefühl, was ich zu schätzen weiß. Aber wenn du das alles doch nicht bist, wenn ich dich also falsch eingeschätzt habe, können wir beide Captain McKenzie in große Schwierigkeiten bringen. Es sind gefährliche Dinge, die ich dir mitzuteilen habe, und wenn du sie erst einmal weißt, gibt es kein Zurück mehr. Also schlage ich vor, du sagst mir jetzt, ob ich dich richtig beurteile. Denn Leute, die zu viel reden, bessern sich nie. Auch das habe ich gelernt. Heute schwören sie auf die Bibel, und morgen haben sie alles vergessen und reden schon wieder zu viel. Die Bibel beeindruckt sie nicht im Geringsten.«
    »Ich verstehe«, sagte Ghita.
    »Also, wirst du mir nun mitteilen, dass mein Eindruck von dir – das, was ich von dir gesehen und gehört und über dich gedacht habe – falsch ist? Oder soll ich dir erzählen, was ich weiß, und du nimmst die schwere Last der Verantwortung für alle Zeit auf dich?«
    »Bitte, ich möchte, dass du mir vertraust.«
    »Diese Antwort habe ich erwartet, also hör mir zu. Ich will leise sprechen, rück ein bisschen näher.« Sarah schob ihre Schirmmütze ein Stück nach oben, so dass Ghita ganz nah an sie herankommen konnte. »Gut. Ich hoffe, die Geckos unterstützen uns ein wenig durch lautes Rülpsen. Tessa hat an dem Workshop nicht teilgenommen, genauso wenig wie Arnold. Sobald es ihnen möglich war, sind sie hinten in den Jeep meines Freundes Captain McKenzie geklettert und haben sich still und heimlich zum Flugplatz fahren lassen. Und sobald es ihm möglich war, hat Captain McKenzie sie in seine Buffalo gepackt und in den Norden geflogen, und zwar ohne Pässe oder Visa oder irgendwelche anderen Papiere, die im Süden des Sudan verlangt werden, von Rebellen, die nicht aufhören können, sich gegenseitig zu bekämpfen, und die weder mutig noch klug genug sind, sich im Kampf gegen die feindlichen Araber im Norden zusammenzuschließen, die wiederum der Meinung zu sein scheinen, Allah verzeihe ihnen alles, wenn sein Prophet es schon nicht tut.«
    Ghita dachte, Sarah sei fertig, und wollte etwas sagen, aber Sarah hatte gerade erst angefangen.
    »Noch komplizierter wird die Sache dadurch, dass Moi, der nicht mal einen Flohzirkus unter Kontrolle halten könnte, selbst dann nicht, wenn ihm sein gesamtes Kabinett dabei zur Verfügung stünde oder wenn Geld für ihn persönlich dabei herausspringen würde, dass Moi sich also in den Kopf gesetzt hat, der Flugplatz von Loki müsse ihm unterstehen, wie du vielleicht bemerkt hast. Mr Mois Zuneigung zu Hilfsorganisationen ist äußerst begrenzt, sein Interesse an Flughafensteuern dafür umso ausgeprägter. Und Dr. Arnold hat größten Wert darauf gelegt, dass Moi und seine Leute nichts von der Reise erfuhren, wohin sie auch immer ging.«
    »Und wohin ging sie?«, flüsterte Ghita, aber Sarah sprach einfach weiter.
    »Nach dem Ziel der Reise habe ich nie gefragt, denn was ich nicht weiß, kann ich auch nicht im Schlaf ausplaudern. Nicht dass mich heutzutage da noch jemand belauschen könnte, dafür bin ich zu alt. Aber Captain McKenzie weiß es, das ist klar. Am nächsten Morgen hat Captain McKenzie sie von dort, wo auch immer das gewesen sein mag, zurückgebracht, und zwar genauso heimlich, wie er sie tags zuvor hingeflogen hatte. Und Dr. Arnold sagt zu mir: ›Sarah‹, sagt er, ›wir sind die ganze Zeit hier in Loki gewesen. Wir haben an deinem Workshop zum Thema Geschlechterrollen teilgenommen, vierundzwanzig Stunden am Tag. Tessa und ich wären dir dankbar, wenn du diese wichtige Tatsache nie vergessen würdest.‹ Aber jetzt ist Tessa tot, und wie’s aussieht, kann sie weder mir noch sonst jemandem mehr dankbar sein. Und Dr. Arnold, der ist, soweit ich weiß, schlimmer als tot. Moi hat seine Leute nämlich überall, und die töten