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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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und stehlen nach Herzenslust, und das heißt, sie töten viel. Und wenn sie einen Menschen gefangen nehmen in der Absicht, ihm irgendwelche Geheimnisse zu entlocken, dann kennen sie kein Erbarmen mehr, und das ist eine Tatsache, die du dir in deinem eigenen Interesse sehr gut merken solltest, mein Kind, denn du begibst dich in allergrößte Gefahr. Und deshalb halte ich es für unerlässlich, dass du mit Captain McKenzie redest, der weiß nämlich Dinge, die ich gar nicht wissen will. Denn Justin, von dem ich nur Gutes gehört habe, soll alles erfahren, was es über den Tod seiner Frau und über Arnold zu erfahren gibt. Ist es richtig, dass ich so denke, oder falsch?«
    »Es ist richtig«, sagte Ghita.
    Sarah trank ihren Tee aus und stellte die Tasse ab. »Also gut. Du gehst jetzt essen und siehst, dass du ein wenig Kraft sammelst, und ich bleibe noch ein Weilchen hier, denn in Loki wird ungeheuer viel geredet, wie du sicher schon bemerkt hast. Und lass die Finger von dem Ziegen-Curry, Kleine, auch wenn du Ziegenfleisch noch so gerne isst. Unser junger Koch aus Somalia ist ein cleverer Bursche, aus dem bestimmt mal ein guter Anwalt wird, aber Ziegen-Curry ist nicht gerade seine Stärke.«
    ***
    Später wusste Ghita selbst nicht mehr, wie sie den ersten Tag bei der Schwerpunktgruppe Hilfe zur Selbsthilfe überstanden hatte, doch als um fünf Uhr die Glocke schlug – sie schlug freilich nur in ihrem Kopf –, konnte sie mit sich zufrieden sein: Sie hatte sich nicht zum Narren gemacht, hatte weder zu viel noch zu wenig gesagt, bescheiden die Meinungen der älteren und erfahreneren Teilnehmer angehört und ausführliche Notizen für einen weiteren EADEC-Bericht angefertigt, den niemand lesen würde.
    »Froh, dass du gekommen bist?«, fragte Judith und legte ihr gut gelaunt eine Hand auf den Arm, als die Versammlung sich auflöste. »Wir sehen uns nachher im Klub.«
    »Das ist für dich, Kleine«, sagte Sarah, die aus einer Hütte getreten war und Ghita einen braunen Umschlag reichte. »Einen schönen Abend.«
    »Dir auch.«
    Sarahs Handschrift stammte direkt aus einem Schönschreibheft.
     
    Liebe Ghita . Captain McKenzie wohnt im tukul Entebbe , das ist die Nummer 14 auf der Flugplatzseite . Nimm eine Taschenlampe mit , denn nachher werden die Generatoren ausgeschaltet . Er erwartet dich um neun Uhr , nach dem Abendessen . Er ist ein Gentleman , du brauchst also nichts zu befürchten . Bitte gib ihm diesen Brief , damit ich sicher sein kann , dass er ordnungsgemäß beseitigt wird . Pass jetzt sehr gut auf dich auf und denk an deine Verpflichtung , was Diskretion betrifft .
    Sarah
    * **
    Die Namen der tukuls erinnerten Ghita an die Tafeln, die in der Dorfkirche unweit ihrer Klosterschule in England angebracht waren, zum Gedenken an berühmte Schlachten. Die Eingangstür von Entebbe stand halb offen, aber die Moskitotür dahinter war fest verschlossen. Drinnen brannte eine Sturmlaterne mit blauem Schirm, und da Captain McKenzie davor saß, konnte Ghita, als sie sich dem tukul näherte, nur seine Silhouette sehen: Er saß wie ein Mönch über den Schreibtisch gebeugt und schrieb. Und weil der erste Eindruck ihr sehr viel bedeutete, blieb sie kurz stehen und nahm den Anblick dieser kantigen, beinahe reglosen Gestalt in sich auf, die unbeugsam soldatisch wirkte. Ghita wollte gerade an den Türrahmen klopfen, als Captain McKenzie, der sie entweder gehört oder gesehen oder sonst wie wahrgenommen hatte, plötzlich aufsprang, mit zwei sportlichen Schritten an die Moskitotür trat und sie aufzog.
    »Ghita, ich bin Rick McKenzie. Pünktlich auf die Sekunde. Haben Sie eine Nachricht für mich?«
    Neuseeland , dachte sie und war sicher, dass sie sich nicht täuschte. Manchmal fiel es ihr schwer, englische Namen und Akzente sicher zuzuordnen, aber diesmal gab es keinen Zweifel. Neuseeland, und bei genauerer Betrachtung eher fünfzig als dreißig Jahre, aber das schloss sie lediglich aus den feinen Fältchen in seinem hageren Gesicht und aus den silbrigen Fäden in seinem gepflegten schwarzen Haar. Sie gab ihm Sarahs Brief und beobachtete ihn, während er sich umdrehte und den Zettel ins Licht der blauen Lampe hielt. In dem kargen, sauberen Raum bemerkte Ghita ein Bügelbrett, polierte braune Schuhe und ein Soldatenbett, das so akkurat gemacht war, wie sie es in der Klosterschule gelernt hatte.
    »Nehmen Sie doch bitte Platz«, sagte er und wies auf einen Küchenstuhl. Als sie darauf zuging, merkte sie, wie sich hinter ihr die

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