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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Treppenhaus. Justin hielt sich neben ihr, bis sie in die vollkommen dunkle oberste Etage gelangten. Dort holte er seine Taschenlampe hervor und leuchtete Ghita den Weg. Durch verschlossene Türen drangen asiatische Musik und orientalische Gerüche nach draußen. Justin gab ihr die Taschenlampe und ging zur Treppe zurück, während sie die Kette an dem Eisengitter vor ihrer Tür losmachte und die drei Schlösser aufsperrte. Als sie in die Wohnung trat, läutete das Telefon. Sie sah sich nach Justin um, aber der stand schon neben ihr.
    »Ghita, meine liebe Freundin, hallo«, rief eine charmante Männerstimme, die sie nicht sofort einordnen konnte. »Wie reizend Sie heute Abend ausgesehen haben. Hier spricht Tim Donohue. Wollte fragen, ob ich mal kurz vorbeikommen und mit Ihnen beiden unterm Sternenzelt eine Tasse Kaffee trinken kann.«
    ***
    Ghitas kleine Wohnung hatte drei Zimmer, die alle auf eine belebte Straße hinausgingen: kaputte Leuchtreklamen, ein baufälliges Lagerhaus, hupende Autos und unerschrockene Bettler, die ihnen erst im allerletzten Augenblick den Weg freimachten. Durch eins der vergitterten Fenster gelangte man auf eine eiserne Außentreppe, die eigentlich als Feuertreppe gedacht war, doch aus Gründen der Sicherheit hatten die Mieter das untere Stück abgesägt. Oben war die Treppe noch intakt, und an manchen Abenden stieg Ghita aufs Dach, lehnte sich an die Holzverkleidung des Wassertanks und lernte für die Aufnahmeprüfung zum diplomatischen Dienst, die sie im nächsten Jahr ablegen wollte, lauschte den Geräuschen ihrer asiatischen Hausgenossen, hörte deren Musik und Gezänk und Kindergeschrei und konnte sich beinahe einbilden, unter ihren eigenen Leuten zu leben.
    Zwar verflog diese Illusion, sobald Ghita durch die Tore des Hochkommissariats fuhr und in ihre andere Haut schlüpfte, dennoch blieb das Dach mit seinen Katzen und Hühnerverschlägen und Wäscheleinen und Antennen einer der wenigen Orte, an denen sie sich wohl fühlte – weswegen sie auch nicht allzu überrascht auf Donohues Vorschlag reagierte, sie könnten doch ihren Kaffee oben unterm Sternenzelt zu sich nehmen. Woher er wusste, dass man auf ihrem Dach sitzen konnte, war ihr allerdings ein Rätsel, denn er hatte, soweit ihr bekannt war, niemals einen Fuß in ihre Wohnung gesetzt. Aber er wusste es. Unter Justins misstrauischen Blicken trat Donohue über die Schwelle, legte einen Finger an die Lippen, zwängte seinen knochigen Körper durchs Fenster auf den Absatz der Eisentreppe und winkte den beiden, ihm zu folgen. Justin ging als nächster, und als Ghita mit dem Kaffeetablett nachkam, saß Donohue bereits auf einer Kiste, die Knie in Höhe seiner Ohren. Justin setzte sich nicht. Einmal stand er wie ein kampfbereiter Wachposten vor den Neonlichtern der Häuser gegenüber, dann wieder hockte er sich plötzlich mit gesenktem Kopf neben sie, wie einer, der mit den Fingern etwas in den Sand zeichnet.
    »Wie haben Sie’s geschafft, über die Grenze zu kommen, alter Junge?«, fragte Donohue und trank einen Schluck Kaffee. »Ein kleiner Vogel hat mir ins Ohr geflüstert, dass Sie vor ein paar Tagen noch in Saskatchewan waren.«
    »Mit einer Safari-Reisegruppe.«
    »Über London?«
    »Amsterdam.«
    »Große Gruppe?«
    »Die größte, die ich finden konnte.«
    »Als Quayle?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Wann haben Sie sich abgesetzt?«
    »In Nairobi. Sobald wir die Zoll- und Einreisekontrollen hinter uns hatten.«
    »Ganz schön clever. Ich habe Sie falsch eingeschätzt. Hätte gedacht, Sie würden den Landweg bevorzugen. Über Tansania oder so.«
    »Er wollte nicht, dass ich ihn am Flughafen abhole«, warf Ghita ein. »Er ist im Dunkeln mit dem Taxi hergekommen.«
    »Was wollen Sie?«, fragte Justin aus einem anderen Teil der Nacht.
    »Ein friedliches Leben, wenn Sie nichts dagegen haben, alter Junge. Ich habe ein gewisses Alter erreicht. Keine Skandale mehr. Kein Rumschnüffeln. Keine Jungs mehr, die ihren Kopf hinhalten für etwas, das es gar nicht mehr gibt.« Seine hagere Gestalt wandte sich zu Ghita um. »Weshalb sind Sie in Loki gewesen, meine Liebe?«
    »Sie hat es für mich getan«, schaltete sich Justin ein, ehe Ghita eine Antwort einfiel.
    »Das ist gut«, sagte Donohue beifällig. »Und bestimmt auch Tessa zuliebe. Ghita ist eine bewundernswerte Frau.« Und wieder an sie gerichtet, mit mehr Nachdruck: »Und Sie haben gefunden, wonach Sie gesucht haben, meine Liebe? Auftrag erfüllt? Davon gehe ich aus.«
    Erneut Justin,

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