Der ewige Gaertner
Justin trug jetzt wieder die Wollmütze und den Anorak. Buntes Scheinwerferlicht drang aus dem Festzelt. Die Band rappte immer noch gnadenlos. Justin blieb im Auto sitzen. Auf einmal glaubte er, einen großen Mann vor den Rhododendren am Straßenrand stehen zu sehen, doch als er genauer hinschaute, war der Schatten verschwunden. Er beobachtete trotzdem weiter aufmerksam seine Umgebung, die Sträucher, die parkenden Autos. Dann hörte er Schritte, drehte sich um und sah eine Gestalt auf sich zukommen; es war Ghita, ein Tuch um die Schultern, die Tanzschuhe in der einen Hand, eine Taschenlampe in der anderen. Sie glitt auf den Beifahrersitz, und Justin ließ den Motor an.
»Die haben sich schon gefragt, wo er geblieben ist«, sagte sie.
»War Donohue da?«
»Ich glaub nicht. Weiß aber nicht genau. Hab ihn nicht gesehen.«
Sie wollte etwas fragen, entschied sich jedoch dagegen.
Justin fuhr langsam, spähte in die geparkten Autos und kontrollierte immer wieder die Außenspiegel. Sie kamen an seinem eigenen Haus vorbei, doch er beachtete es kaum. Ein Hund stürzte auf das Auto zu und schnappte nach den Reifen. Justin wich aus, behielt die Rückspiegel im Blick und schimpfte leise auf den Hund. Im Scheinwerferlicht tauchten riesige Schlaglöcher wie schwarze Seen vor ihnen auf. Ghita schaute aus dem Heckfenster. Die Straße war stockdunkel.
»Sehen Sie nach vorn«, befahl er. »Sie müssen mir sagen, wo es langgeht. Sonst verfahre ich mich noch.«
Er fuhr jetzt schneller, umkurvte Schlaglöcher, holperte über Teerbuckel und hielt sich, wann immer er den Rändern misstraute, in der Straßenmitte. Ghita flüsterte: Hier nach links, wieder links, Achtung, großes Schlagloch. Einmal bremste er plötzlich, und ein Auto überholte sie, dann noch eins.
»Haben Sie jemanden erkannt?«, fragte er.
»Nein.«
Sie kamen in eine Allee. Ein verbeultes Schild – STRASSEN-ARBEITEN – versperrte ihnen den Weg. Dahinter standen abgemagerte Jugendliche mit Stöcken in den Händen und einer Schubkarre ohne Rad.
»Sind die immer hier?«
»Tag und Nacht«, sagte Ghita. »Sie holen die Steine aus einem Loch und werfen sie in ein anderes. Auf die Weise werden sie niemals fertig.«
Er trat auf die Bremse und kam kurz vor dem Schild zum Stehen. Die Jungen umstellten den Wagen und schlugen mit den Handflächen aufs Dach. Justin kurbelte das Fenster herunter; der Strahl einer Taschenlampe fiel ins Wageninnere, und dann erschien das aufgeweckte, lächelnde Gesicht ihres Wortführers. Er war höchstens sechzehn Jahre alt.
»Guten Abend, Bwana«, sagte er überaus höflich. »Ich bin Mr Simba.«
»Guten Abend, Mr Simba«, erwiderte Justin.
»Möchten Sie einen Beitrag zu der schönen Straße leisten, die wir hier bauen, Mann?«
Justin hielt ihm durchs Fenster einen Hundert-Shilling-Schein hin. Der Junge schwenkte den Schein triumphierend über seinem Kopf und entfernte sich tänzelnd. Die anderen applaudierten.
»Was ist der übliche Tarif?«, fragte Justin Ghita, als sie weiterfuhren.
»Ungefähr ein Zehntel davon.«
Wieder wurden sie überholt, und wieder spähte Justin angestrengt in das Innere des Autos, schien aber nicht zu entdecken, wonach er suchte. Sie gelangten ins Stadtzentrum. Hell erleuchtete Geschäfte, Cafés, die Bürgersteige voller Menschen. Matutu-Busse, aus denen laute Musik schallte. Irgendwo links krachte scheppernd Metall, gefolgt von Schreien und durchdringendem Hupen. Ghita wies Justin wieder den Weg: Hier nach rechts, jetzt durch dieses Tor. Justin fuhr eine Rampe hinauf und gelangte auf den zerbröckelnden Vorplatz eines dreigeschossigen Gebäudes. Im Streulicht entfernter Laternen las er die an die Hauswand gemalten Worte: KOMM ZU JESUS – JETZT !
»Ist das eine Kirche?«
»Früher hatten die Adventisten vom Siebenten Tag hier eine Zahnklinik«, antwortete Ghita. »Ist jetzt aber ein Wohnhaus.«
Als Garage dienten ein paar mit Stacheldraht gesicherte Stellplätze, und allein hätte Ghita ihr Auto nie dort geparkt, aber Justin fuhr bereits die Zufahrt hinunter und hielt die Hand auf, um sich den Schlüssel geben zu lassen. Er stellte den Wagen ab, und sie beobachtete, wie er sich umdrehte, die Zufahrt hinaufsah und horchte.
»Wen erwarten Sie?«, flüsterte sie.
Er führte sie an Gruppen grinsender Jugendlicher vorbei zur Haustür und die Stufen zur Eingangshalle hinauf. Auf einem handgeschriebenen Zettel stand: AUFZUG AUSSER BETRIEB. Sie betraten das graue, von schwachen Glühbirnen beleuchtete
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