Der ewige Gaertner
Justin reckt sich in seinem Gurt und sieht durchs Cockpitfenster ein grünes Feld, das von einem breiten Streifen roter Erde durchzogen ist. Als Markierung dienen Reihen weißer Säcke. In einer Ecke des Feldes liegen noch mehr Säcke. Das Flugzeug richtet sich auf, und die Sonne trifft Justins Nacken wie ein Strahl siedend heißen Wassers. Er sinkt auf seinen Sitz zurück. Die germanische Stimme ist jetzt laut und deutlich zu hören.
»Nun komm schon runter, Edsard! Heute Mittag gibt’s ’nen schönen Eintopf mit Ziegenfleisch! Hast du den arbeitsscheuen McKenzie dabei?«
Edsard lässt sich nicht so leicht umgarnen. »Was sollen die Säcke da hinten, Brandt? Sind die vor kurzem abgeworfen worden? Treibt sich hier oben noch ’n anderes Flugzeug rum?«
»Das sind bloß leere Säcke, Edsard. Stör dich nicht dran und komm jetzt endlich, verstanden? Ist dieser Topjournalist auch an Bord?«
Diesmal antwortet McKenzie. »Wir haben ihn, Brandt«, sagt er lakonisch.
»Wen habt ihr sonst noch?«
»Mich!«, schreit Jamie fröhlich gegen den Lärm an.
»Einen Journalisten, eine Nymphomanin, sechs heimkehrende Delegierte«, erklärt McKenzie unverändert ruhig.
»He, was ist das für einer? Dieser Teufelskerl von Journalist?«
»Wenn ich das wüsste«, sagt McKenzie.
Lautes Gelächter im Cockpit, in das die gesichtslose, fremde Stimme am Boden einfällt.
»Warum ist er so nervös?«, fragt Justin.
»Die sind alle nervös. Das da unten ist die Endstation. Nach der Landung bleiben Sie bitte bei mir, Mr Atkinson. Das Protokoll verlangt, dass ich Sie zuallererst dem Vorsteher vorstelle.«
Die Landebahn sieht aus wie ein verlängerter Tennisplatz, roter Sand, teilweise überwuchert. Hunde und Menschen kommen zwischen Bäumen hervor und nähern sich der Landebahn. Ihre kegelförmigen Hütten sind mit Stroh gedeckt. Edsard fliegt tief darüber hinweg, und McKenzie sucht das Buschland zu beiden Seiten ab.
»Keine finsteren Gestalten?«, fragt Edsard.
»Keine finsteren Gestalten«, bestätigt McKenzie.
Das Flugzeug geht in Schräglage, richtet sich wieder auf und rast auf die Landebahn zu. Der Boden trifft die Buffalo wie eine Rakete. Feuerrote Staubwolken hüllen sie ein. Ihr Rumpf kippt weit nach links, die Fracht zerrt an ihrer Vertäuung. Die Motoren brüllen, das Flugzeug wird gerüttelt, schrammt an etwas vorbei und kommt holpernd zum Stehen. Die Motoren verstummen. Der Staub senkt sich. Sie sind angekommen. Justin sieht eine Abordnung afrikanischer Würdenträger herankommen, dazu Kinder und ein paar weiße Frauen mit schmuddeligen Jeans, Dreadlocks und Armreifen. In ihrer Mitte, mit einem braunen Homburg auf dem Kopf, in alten Khakishorts und stark abgetragenen Wildlederschuhen – es fehlt nur das Stethoskop –, schreitet die strahlende, bullige, rotblonde und unbestreitbar majestätische Gestalt Markus Lorbeers.
* **
Die Sudanesinnen klettern aus dem Flugzeug und gehen zu ihren Leuten hinüber, die sie mit Gesang empfangen. Jamie aus Simbabwe umarmt unter freudigem Geschrei ihre Gefährten, und dann wirft sie sich Lorbeer an den Hals, tätschelt sein Gesicht, nimmt ihm den Hut ab und streicht ihm die roten Haare glatt, während er ihr strahlend auf den Hintern klopft und kichert wie ein kleiner Junge an seinem Geburtstag. Dinka-Träger strömen ins Heck des Flugzeugs und beginnen nach Edsards Anweisungen mit dem Ausladen. Nur Justin muss sitzen bleiben, bis Captain McKenzie ihm das Zeichen gibt auszusteigen, und ihn über die Landebahn hinweg auf eine kleine Anhöhe führt, zu einer Gruppe älterer Dinka in schwarzen Hosen und weißen Hemden, die auf Küchenstühlen im Halbkreis unter einem Baum sitzen. In ihrer Mitte thront Arthur, der Vorsteher, ein drahtiger, grauhaariger Mann mit kantigen Zügen und ernsten, klugen Augen. Er trägt eine rote Baseballmütze, auf die das Wort Paris gestickt ist, in goldenen Buchstaben.
»Sie sind also ein Mann der Feder, Mr Atkinson«, sagt Arthur in fehlerfreiem, altmodischem Englisch, nachdem McKenzie sie einander vorgestellt hat.
»Das ist richtig, Sir.«
»Welche Zeitung oder Zeitschrift, wenn ich mir die Frage erlauben darf, kommt denn in den Genuss, Ihre Dienste in Anspruch nehmen zu dürfen?«
»Der Telegraph in London.«
»Der Sunday Telegraph? «
»Hauptsächlich die Tageszeitung.«
»Beides sind ausgezeichnete Blätter«, erklärt Arthur weise.
»Arthur war während der Zeit des britischen Mandats Sergeant bei der sudanesischen Verteidigungsarmee«,
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