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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Spielregeln.«
    »Wie lange ist er schon dort?«, schreit Justin. Sie versteht ihn nicht, und er muss die Frage wiederholen.
    »Sechs Monate, schätze ich. Sechs Monate ununterbrochen da draußen, das ist soviel wie ein ganzes Leben, sag ich Ihnen! Kommt noch nicht mal für ein paar Tage nach Loki runter, um sich etwas auszuruhen!«, schließt sie bekümmert und lässt sich, erschöpft von dem Geschrei, nach hinten sinken.
    Justin schnallt sich ab und tritt ans Fenster. Das ist die Reise , die du gemacht hast . Das ist die Geschichte , die sie dir erzählt haben . Das hier hast du gesehen . Unter ihm erstreckt sich der smaragdgrüne Nilsumpf, überwabert von Hitze, übersät mit schwarzen Wasserlöchern, die wie Puzzleteile aussehen. Auf Anhöhen drängt sich Vieh in abgetrennten Pferchen.
    »Die Eingeborenen sagen einem nie, wie viele Tiere sie haben!« Jamie steht jetzt neben ihm und schreit ihm wieder ins Ohr. »Das rauszufinden, ist die Aufgabe des Koordinators! Ziegen und Schafe stehen in der Mitte des Geheges, die Kühe außen rum, zusammen mit den Kälbern! Bei den Kühen sind auch die Hunde! Nachts verbrennen die Eingeborenen den Kuhmist in ihren Hütten, die direkt daneben stehen! Das schreckt die Raubtiere ab und hält die Kühe warm, nur dass die Menschen einen schrecklichen Husten davon bekommen! Manchmal sperren sie auch die Frauen und Kinder in die Gehege! Mädchen werden im Sudan gut mit Essen versorgt! Wenn sie wohlgenährt sind, erzielen sie einen besseren Preis bei der Hochzeit!« Jamie klopft sich grinsend auf den Bauch. »Ein Mann darf so viele Frauen haben, wie er sich leisten kann. Da gibt’s diesen ganz unglaublichen Tanz – also wirklich «, ruft sie und hält sich die Hand vor den Mund, weil sie so lachen muss.
    »Sind Sie auch Koordinator?«
    »Nein, Assistentin.«
    »Wie sind Sie an den Job gekommen?«
    »Hab in Nairobi die richtigen Nachtklubs besucht! Möchten Sie ein Rätsel hören?«
    »Nur zu.«
    »Wir werfen hier Getreide ab, richtig?«
    »Richtig.«
    »Wegen des Krieges zwischen dem Norden und dem Süden, richtig?«
    »Weiter.«
    »Ein großer Teil des Getreides, das wir abwerfen, wird im Nordsudan produziert. Genau genommen alles, was nicht aus den Überschüssen der amerikanischen Getreidefarmer stammt. Und jetzt kommt’s. Die Hilfsorganisationen kaufen Khartum das Getreide ab. Khartum verwendet das Geld, um Waffen für den Krieg gegen den Süden zu kaufen. Die Flugzeuge, die das Getreide nach Loki bringen, benutzen denselben Flughafen, von dem aus die Maschinen starten, mit denen Khartum die Dörfer im Südsudan bombardieren lässt.«
    »Und wie lautet nun das Rätsel?«
    »Warum finanziert die UNO die Bombardierung dieser Dörfer und lässt gleichzeitig den Opfern Nahrung zukommen?«
    »Passe.«
    »Kommen Sie nach der Sache hier noch mal nach Loki zurück?«
    Justin schüttelt den Kopf.
    »Schade«, sagt sie und zwinkert ihm zu.
    Jamie setzt sich wieder zwischen die Kisten mit Sojaöl. Justin bleibt am Fenster stehen und beobachtet den goldenen Schatten des Flugzeugs, der über das glitzernde Sumpfland huscht. Einen Horizont gibt es nicht. In der Ferne lösen sich die Farben des Bodens im Dunst auf und lassen das Fenster in immer neuen Schattierungen von Violett schimmern. Wir könnten unser Leben lang fliegen , sagt er zu ihr, ohne jemals den Rand der Erde zu erreichen . Urplötzlich geht die Buffalo in den Sinkflug. Der Sumpf verfärbt sich braun, fester Boden erhebt sich aus den Wasserflächen. Der Schatten des Flugzeugs jagt über einzelne Bäume, die wie grüne Blumenkohlköpfe aussehen. Edsard hat das Steuer übernommen. Captain McKenzie blättert in einem Prospekt für Campingausrüstung. Er dreht sich zu Justin um und hält einen Daumen hoch. Justin setzt sich wieder in seinen Sessel, schnallt sich an und sieht auf die Uhr. Drei Stunden hat der Flug gedauert. Edsard bringt die Buffalo abrupt in Schräglage. Kisten mit Toilettenpapier, Mückenspray und Schokolade schlittern über den Stahlboden und krachen neben Justin an die Stufe, die zum Cockpit führt. Am Ende der Tragfläche taucht eine Ansammlung strohgedeckter Hütten auf. In Justins Kopfhörer krächzt es, wie klassische Musik, die mit der falschen Geschwindigkeit abgespielt wird. Aus dem Getöse filtert er eine schroffe germanische Stimme heraus, die Informationen über die Verhältnisse am Boden durchgibt. Aber mehr als »stabil« und »kein Problem« versteht er nicht. Das Flugzeug beginnt heftig zu beben.

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