Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
Geschäft kaputtmachen. Möglich, dass die armen Speerträger und Medizinmänner draußen im Busch jammern, wir würden ihnen mit unseren westlichen Medikamenten die Arbeit wegnehmen. Möglich, dass die Menschen hier durch unsere Lebensmittellieferungen in die Abhängigkeit getrieben werden. Okay?«
    »Okay.«
    Ein breites Lächeln tut all diese Unzulänglichkeiten als nebensächlich ab. »Hören Sie, Mr Atkinson. Sagen Sie das Ihren Lesern. Sagen Sie das den Fettsäcken bei der UNO in Genf und Nairobi. Jedes Mal, wenn es meiner Station hier gelingt, dass ein hungerndes Kind einen Löffel von unserem Haferbrei in den Mund geschoben bekommt, habe ich meinen Job getan. Hinterher schlafe ich wie in Abrahams Schoß. Ich habe mir mein Dasein auf dieser Erde redlich verdient. Werden Sie ihnen das sagen?«
    »Ich will’s versuchen.«
    »Wie heißen Sie mit Vornamen?«
    »Peter.«
    »Brandt.«
    Sie schütteln sich erneut die Hände, noch länger als zuvor.
    »Fragen Sie alles, was Sie wollen, okay, Peter? Vor Gott habe ich keine Geheimnisse. Gibt es etwas Bestimmtes, wonach Sie mich fragen wollen?«
    »Im Moment nicht. Später vielleicht, wenn ich ungefähr weiß, wie die Dinge hier laufen.«
    »Sehr gut. Lassen Sie sich Zeit. Die Wahrheit währt ewig, okay?«
    »Okay.«
    * **
    Zeit für ein Gebet.
    Zeit für die heilige Kommunion.
    Zeit für das Wunder.
    Zeit, die Hostie mit der ganzen Menschheit zu teilen.
    So jedenfalls verkündet es Lorbeer, und Justin, in der vergeblichen Anstrengung, der bedrückend guten Laune seines Führers zu entkommen, tut so, als schriebe er das in sein Notizbuch. Zeit, zu beobachten, wie »das Mysterium der Menschlichkeit die Auswirkungen der Schlechtigkeit des Menschen zu korrigieren beginnt« – noch so einer von Lorbeers ärgerlichen vorgefertigten Sätzen, aufgesagt mit fromm in die sengende Sonne blinzelnden Augen und diesem breiten Lächeln, das Gottes Segen beschwört. Gleichzeitig spürt Justin, wie der Verräter seiner Frau ihn liebevoll mit der Schulter anstupst. Zuschauer haben sich in einer Reihe aufgestellt. Jamie, die Frau aus Simbabwe, und Arthur, der Vorsteher, mit seinen Gefolgsleuten stehen am nächsten. Hunde, Eingeborene in roten Gewändern und eine stumme Schar nackter Kinder drängen sich am Rand der Landebahn.
    »Heute geben wir vierhundertundsechzehn Familien zu essen, Peter. Das muss man mit sechs multiplizieren, um die Gesamtzahl der Personen zu erhalten. Der Vorsteher kriegt von mir fünf Prozent von allem, was abgeworfen wird. Das bleibt natürlich unter uns. Sie sind ein anständiger Mensch, deshalb erzähle ich Ihnen das. Wenn man den Vorsteher so reden hört, könnte man meinen, der Sudan hätte hundert Millionen Einwohner. Ein weiteres Problem hier sind die Gerüchte. Es braucht nur einer zu behaupten, er habe einen Reiter mit einem Gewehr gesehen, und schon laufen zehntausend Leute in Panik davon und lassen ihre Ernte und ihre Dörfer im Stich.«
    Lorbeer verstummt. Jamie zeigt in den Himmel, tastet nach Lorbeers Hand und drückt sie verstohlen. Der Vorsteher und sein Gefolge haben ebenfalls etwas gehört, und so heben auch sie die Köpfe, kneifen die Augen zusammen und verziehen die Lippen zu einem angespannten Lächeln. Justin vernimmt das ferne Dröhnen eines Motors und sieht am gleißenden Himmel einen kleinen, schwarzen Punkt. Langsam wird der Punkt zu einer Buffalo, einem Zwilling der Maschine, die ihn hergebracht hat, weiß und tapfer und einsam wie Gottes himmlische Kavallerie. Das Flugzeug jagt dicht über die Wipfel der Bäume hinweg und gewinnt schwankend und taumelnd wieder an Höhe. Dann ist es verschwunden, für immer. Doch Lorbeers Gemeinde fällt nicht vom Glauben ab. Die Gesichter bleiben beschwörend gen Himmel gewandt. Und da kommt es tatsächlich wieder, im Tiefflug, konzentriert und zielstrebig. Justin hat einen Kloß im Hals, und Tränen treten ihm in die Augen, als die ersten weißen Säcke mit Nahrungsmitteln wie eine Hand voll Seifenflocken aus dem Heck des Flugzeugs fallen. Zunächst scheinen sie zu schweben, dann aber werden sie schneller und landen schließlich prasselnd wie eine Maschinengewehrsalve im Abwurfgebiet. Die Buffalo fliegt einen Bogen, um das Manöver zu wiederholen.
    »Haben Sie das gesehen, Mann?«, flüstert Lorbeer. Auch in seinen Augen stehen Tränen. Weint er viermal am Tag? Oder nur, wenn er Publikum hat?
    »Ja, ich habe es gesehen«, bestätigt Justin. Wie du es gesehen hast und dann zweifellos , genau wie ich ,

Weitere Kostenlose Bücher