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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Die Ausgaben dieses Landes für das Gesundheitswesen belaufen sich auf fünf Dollar pro Kopf und Jahr, und zwar bevor sich vom oberen Ende der Hierarchie bis zum unteren jeder seinen Teil vom Kuchen abgeschnitten hat. Die von der Polizei misshandeln routinemäßig jeden, der so unklug ist, diese Dinge öffentlich zur Sprache zu bringen. Auch korrekt. Sie haben deren Methoden untersucht. Die wenden die Wasserfolter an, sagen Sie. Tauchen die Leute erst in Wasser, bevor sie sie schlagen, weil auf diese Weise weniger Spuren bleiben. Sie haben Recht. Genau das machen sie. Die sind nicht wählerisch. Aber wir protestieren nicht dagegen. Außerdem vermieten sie ihre Waffen an befreundete Mörderbanden, die diese beim ersten Tageslicht zurückgeben müssen, weil sie sonst ihre Kaution nicht wiederbekommen. Das Hochkommissariat teilt Ihre Empörung, aber dennoch protestieren wir nicht. Und warum nicht? Weil wir gottseidank hier sind, um unser Land zu repräsentieren, nicht deren Land. Wir haben fünfunddreißigtausend Briten zu vertreten, die hier in Kenia leben und deren unsichere Existenz vollkommen von Präsident Mois Launen abhängig ist. Und es ist nicht Aufgabe des Hochkommissariats, ihnen das Leben noch schwerer zu machen, als es ohnehin schon ist.«
    »Und dann haben Sie noch die britischen Geschäftsinteressen zu vertreten«, stichelt sie.
    »Das ist kein Verbrechen, Tessa«, entgegnet er heftig und kämpft darum, seinen Blick von dort loszureißen, wo er unterschwellig hingestarrt hat: den Schatten ihrer Brüste, der sich durch diesen Hauch von einem Kleid hindurch abzeichnet. »Handel ist keine Sünde. Handel mit Entwicklungsländern ist auch keine Sünde. Der Handel hilft ihnen sogar, sich zu entwickeln. Er ermöglicht Reformen. Die Art von Reformen, die wir alle uns wünschen. Durch den Handel werden sie Teil der modernen Welt. Er ermöglicht uns , ihnen zu helfen . Und wie sollten wir einem armen Land helfen, wenn wir selbst nicht reich wären?«
    »So ein Schwachsinn.«
    »Wie bitte?«
    »Fadenscheiniger, grandioser Schwachsinn. Der reinste Ministeriumsscheiß, wenn ich die Dinge beim Namen nennen soll. Hätte vom verehrten Pellegrin höchstselbst kommen können. Schauen Sie sich doch um. Handel macht die Armen nicht reich.
    Profite werden nicht in Reformen investiert. Sie fließen korrupten Regierungsbeamten in die Tasche und auf Schweizer Bankkonten.«
    »Das bestreite ich ganz entschieden –«
    Tessa fällt ihm ins Wort. »Also ad acta gelegt und vergessen. Stimmt’s? Zur Zeit keine weiteren Schritte notwendig, gezeichnet Sandy. Großartig. Das Mutterland der Demokratie entlarvt sich einmal mehr als Heuchlerin, die Freiheit und Menschenrechte für alle predigt, nur da nicht, wo fette Gewinne für sie selbst herausspringen.«
    »Das ist absolut ungerecht! Ja, Mois Leute sind Gauner, und der alte Mann wird noch ein paar Jahre am Ruder bleiben. Aber Besserung ist in Sicht. Ein Wort ins richtige Ohr – ein Boykott der Entwicklungshilfe seitens der Geberländer – sanfte Diplomatie –, das alles hat seine Wirkung. Und man ist gerade dabei, Richard Leakey ins Kabinett zu berufen, um die Korruption einzudämmen und das Vertrauen der Investoren wiederzugewinnen, damit sie sicher sein können, dass sie mit ihren Mitteln nicht Mois Machenschaften finanzieren.« Inzwischen klingt er wie eine offizielle Dienstanweisung, das ist ihm bewusst. Schlimmer noch, Tessa weiß es auch, wie ihr demonstratives Gähnen beweist. »Kenia mag keine rechte Gegenwart haben, aber es hat eine Zukunft«, fasst er tapfer zusammen und wartet auf ein Zeichen von ihr. Wartet auf das Angebot eines wie auch immer zusammengeschusterten Waffenstillstands.
    Zu spät fällt ihm ein, dass Tessa nicht zu Kompromissen neigt, ebenso wenig wie ihre Busenfreundin Ghita. Die beiden sind jung genug zu glauben, dass es so etwas wie einfache Wahrheiten gibt.
    »Das Dokument, das ich Ihnen übergeben habe, nennt Namen, Daten und Bankkonten«, bleibt sie unerbittlich am Ball. »Einzelne Minister werden beim Namen genannt und belastet. Wäre das nicht Grund für ein Wort ins richtige Ohr? Oder hört da draußen keiner zu?«
    »Tessa.«
    Sie entgleitet ihm immer mehr, und dabei ist er gekommen, um ihr näher zu sein.
    »Sandy.«
    »Ich nehme Ihr Anliegen zur Kenntnis. Ich hab’s gehört. Aber um Himmels willen – im Namen der Vernunft –, Sie können doch nicht ernsthaft verlangen, dass die Regierung Ihrer Majestät in Gestalt von Bernard Pellegrin eine

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