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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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hindurch. Wusste sie, dass ich zu einer nackten Silhouette sprach? Dass ich sie nur ansehen musste, um meinen Traum von ihr in Erfüllung gehen zu sehen, mein Mädchen am Strand, meine Fremde im Zug?
    »Ich dachte, ich komme am besten mal selbst vorbei«, beginnt er gewichtig.
    »Und warum dachten Sie das, Sandy?«, fragt sie.
    Elf Uhr morgens. Kanzleisitzung beendet, Justin sicher nach Kampala verschickt, wo er an einer dieser sinnlosen dreitägigen Konferenzen zum Thema Effiziente Entwicklungshilfe teilnimmt. Ich bin in einer dienstlichen Angelegenheit hier, aber ich habe mein Auto in einer Seitenstraße geparkt, wie ein schuldbewusster Liebhaber, der die schöne junge Frau seines Beamtenkollegen besucht. Und mein Gott, wie schön sie ist. Und mein Gott, wie jung sie ist. Jung wie ihre hohen, festen Brüste, die sich nie bewegen. Wie kann Justin sie aus den Augen lassen? Wie jung diese grauen, zorngeweiteten Augen und dieses für ihr Alter zu wissende Lächeln. Woodrow kann es zwar im Gegenlicht nicht sehen. Aber er kann es in ihrer Stimme hören. Ihrer neckenden, verwirrenden, rassigen Stimme. Er kann sie sich jederzeit ins Gedächtnis rufen. Wie auch die nackte Silhouette ihrer Taille und die Linie ihrer Schenkel, die aufreizende Geschmeidigkeit ihrer Bewegungen – kein Wunder, dass Justin und sie sich ineinander verliebt haben, sie kommen aus dem gleichen Vollblutstall, zwanzig Jahre auseinander.
    »Tess, im Ernst, so kann es nicht weitergehen.«
    »Nennen Sie mich nicht Tess.«
    »Warum nicht?«
    »Der Name ist reserviert.«
    Für wen, fragt er sich. Für Bluhm, oder für einen anderen Liebhaber? Quayle nennt sie nie Tess. Ghita auch nicht, soweit Woodrow sich erinnern kann.
    »Es geht einfach nicht, dass Sie weiter Ihre Meinung so freimütig äußern. Ihre Ansichten.«
    Dann kommt der Teil seiner Rede, den er vorbereitet hat, der Teil, in dem er sie an ihre Pflichten als verantwortungsvolle Ehefrau eines Diplomaten im Dienst Ihrer Majestät erinnert. Aber er kann ihn nicht zu Ende bringen. Beim Wort Pflicht fährt sie auf.
    »Sandy, ich sehe nur Afrika als meine Pflicht an. Und wem fühlen Sie sich verpflichtet?«
    Er ist verblüfft, dass er sich auf einmal rechtfertigen soll. »Meinem Land, wenn Sie erlauben, dass ich pathetisch werde. Genau wie Justin. Meinem Ministerium und meinem Gesandschaftsleiter. Beantwortet das Ihre Frage?«
    »Nein, nicht mal annähernd, und das wissen Sie genau. Meilenweit daneben.«
    »Woher sollte ich was genau wissen?«
    »Ich dachte, Sie wären vielleicht gekommen, um mit mir über die bemerkenswerten Dokumente zu sprechen, die ich Ihnen gegeben habe.«
    »Nein, Tessa. Ich bin gekommen, um Sie aufzufordern, nicht länger vor aller Welt in dieser Weise über die Untaten der Regierung Moi herzuziehen. Ich bin gekommen, um an Ihren Teamgeist zu appellieren, sich zur Abwechslung endlich einmal – ach, beenden Sie den Satz doch selber«, schließt er rüde.
    Hätte ich so mit ihr geredet, wenn ich gewusst hätte, dass sie schwanger war? Wahrscheinlich nicht in diesem Ton. Aber geredet hätte ich mit ihr. Habe ich geahnt, dass sie schwanger war, als ich versuchte, die nackte Silhouette zu ignorieren? Nein, ich habe sie so sehr begehrt, dass es kaum zu ertragen war, und das hat Sie an meiner Stimme und meinen ungelenken Bewegungen gemerkt.
    »Wollen Sie damit sagen, dass Sie die Dokumente nicht gelesen haben?« Sie bleibt entschlossen beim Thema Dokumente. »Gleich werden Sie behaupten, Sie hätten keine Zeit dazu gehabt.«
    »Natürlich habe ich sie gelesen.«
    »Und was halten Sie davon, jetzt wo Sie sie gelesen haben, Sandy?«
    »Sie haben mir nichts verraten, was ich nicht bereits wusste, und nichts, woran ich etwas ändern könnte.«
    »Aber, Sandy, Sie enttäuschen mich. Wie feige von Ihnen. Warum können Sie nichts daran ändern?«
    Woodrow waren seine Worte selbst zuwider: »Weil wir Diplomaten sind und keine Polizisten, Tessa. Sie behaupten, die Regierung Moi sei durch und durch korrupt. Das hab ich nie bezweifelt. Das Land stirbt an Aids, es ist bankrott, es gibt keinen Bereich, ob Tourismus, Naturschutz, Bildung, Verkehr, Sozialwesen oder das Kommunikationswesen, der nicht wegen Betrugs, aus Inkompetenz oder Desinteresse zugrunde ginge. Gut beobachtet. Minister und Beamte leiten ganze Lastwagenladungen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten um, die für hungernde Flüchtlinge gedacht sind, sagen Sie. Oft mit Wissen der zuständigen Entwicklungshelfer. Natürlich tun sie das.

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