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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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seine eigene eingeschlossen.
    »Das Treffen, von dem Sie sprechen, war nicht privater Natur«, teilte er Rob mit, um Lesleys unnachgiebigem Blick zu entgehen. »Es war rein beruflich. Tessa behauptete, sie sei auf Dokumente gestoßen, die, wenn sie sich als echt herausstellten, politisch brisant gewesen wären. Sie bat mich, sie in der Klinik zu treffen, um mir dort die Unterlagen zu geben.«
    »Und wie ist sie darauf gestoßen?«, fragte Rob.
    »Sie hatte Beziehungen. Das ist alles, was ich weiß. Freunde in den Hilfsorganisationen.«
    »Wie zum Beispiel Bluhm.«
    »Unter anderem. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich mit skandalträchtigen Geschichten an das Hochkommissariat wandte, sollte ich hinzufügen. Sie hatte es sich mehr oder weniger zur Gewohnheit gemacht.«
    »Mit Hochkommissariat sind Sie selbst gemeint?«
    »Wenn wir von mir in meiner Eigenschaft als Leiter der Kanzlei sprechen, ja.«
    »Warum hat sie die Dokumente nicht Justin gegeben? Er hätte sie doch weiterreichen können?«
    »Justin durfte nicht ins Spiel gebracht werden. Das war ihr fester Wille, und seiner offenbar auch.« Verriet er zu viel, drohte erneut Gefahr? Woodrow verstrickte sich weiter: »Ich habe diesen Wunsch respektiert. Offen gesagt, habe ich jedes Zeichen von Skrupel ihrerseits respektiert.«
    »Warum hat sie die Sachen nicht Ghita gegeben?«
    »Ghita ist neu und jung und eine von den hiesigen Angestellten. Sie wäre kein angemessener Übermittler gewesen.«
    »Sie haben sich also getroffen«, fasste Lesley zusammen. »Im Krankenhaus. Im Wartesaal der Gynäkologie. War das nicht ein ziemlich auffälliger Treffpunkt: zwei Weiße unter lauter Afrikanern?«
    Ihr wart da, dachte er, der Panik nahe. Ihr habt das Krankenhaus aufgesucht. »Es waren nicht die Afrikaner, vor denen sie Angst hatte. Sondern die Weißen. Da ließ sie nicht mit sich reden. Unter Schwarzen fühlte sie sich sicher.«
    »Hat sie das so gesagt?«
    »Das habe ich geschlossen.«
    »Woraus?« Jetzt wieder Rob.
    »Aus ihrer Haltung in diesen letzten Monaten. Nach der Sache mit dem Baby. Mir gegenüber und der weißen Gemeinde insgesamt. Und ihrer Einstellung zu Bluhm. Bluhm konnte nichts falsch machen. Er war schwarz, gut aussehend und Arzt. Und Ghita ist Halbinderin« – ins Blaue hinein.
    »Wie hat Tessa die Verabredung mit Ihnen getroffen?«, fragte Rob.
    »Sie hat mir eine Mitteilung nach Hause geschickt, überbracht von ihrem Hausdiener Mustafa.«
    »Wusste Ihre Frau, dass Sie sich mit Tessa treffen würden?«
    »Mustafa hat die Nachricht an meinen Hausdiener gegeben, der sie an mich weiterleitete.«
    »Und Sie haben Ihrer Frau nichts davon erzählt?«
    »Ich habe die Angelegenheit als vertraulich betrachtet.«
    »Warum hat sie Sie nicht angerufen?«
    »Meine Frau?«
    »Tessa.«
    »Sie hat den Telefonen des diplomatischen Diensts misstraut. Aus gutem Grund. Wir alle tun das.«
    »Warum hat sie die Dokumente nicht einfach Mustafa mitgegeben?«
    »Sie wollte Zusicherungen von mir haben. Garantien.«
    »Warum hat sie Ihnen die Unterlagen nicht hergebracht?« Wieder war es Rob, der die Schraube enger drehte.
    »Aus dem Grund, den ich Ihnen bereits genannt habe. Sie war an einen Punkt gelangt, wo sie dem Hochkommissariat nicht mehr traute. Sie wollte sich nicht beschmutzen lassen, ja nicht einmal in der Nähe gesehen werden. Sie tun so, als wären ihre Handlungen logisch gewesen. Es fällt schwer, Logik mit Tessa in ihren letzten Lebensmonaten in Verbindung zu bringen.«
    »Und warum nicht Coleridge? Warum mussten immerzu Sie es sein? An ihrem Bett im Krankenhaus? Kannte sie sonst niemanden hier?«
    Für einen kurzen, gefährlichen Moment machte Woodrow sich mit seinen Inquisitoren gemein. Ja, warum eigentlich ich?, wollte er von Tessa in einem Anfall von Selbstmitleid wissen. Weil du mir in deiner verdammten Eitelkeit keine Wahl gelassen hast. Weil es dir Freude gemacht hat, dass ich dir Leib und Seele versprach, obwohl wir doch beide wussten, ich würde sie in der Stunde der Wahrheit nicht hergeben und du sie nicht haben wollen. Weil die Kämpfe mit mir dir die Gelegenheit gaben, auf all das loszugehen, was du so gern an England gehasst hast. Weil ich eine Art Archetyp für dich war. »Nur Rituale und kein Glaube« – deine Worte. Wir stehen uns gegenüber, nur zwanzig Zentimeter voneinander getrennt, und ich wundere mich, dass wir gleich groß sind, bis ich bemerke, dass sich eine Stufe am Fuße der schiefen Wand entlangzieht, die du, wie viele andere Frauen

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