Der ewige Gaertner
Kioko gerichtet, der sich wie er selbst ein eigenes Plätzchen abseits der anderen gesucht hatte und irgendwie den Eindruck eines Erhängten machte, denn seine schmalen Füße schienen kaum den Boden zu berühren, die Arme hingen herab, und sein Kopf war wie in ständigem Fragen schräg nach oben gereckt.
Tessas letzte Reise war nicht wirklich glatt verlaufen, aber das wäre auch weder Woodrows noch Glorias Wunsch gewesen. Stillschweigend fanden es beide angemessen, dass die letzte Handlung um Tessa jenes Element von Unberechenbarkeit enthielt, das ihr ganzes Leben charakterisiert hatte. Die Woodrows waren früh aufgestanden, obwohl es keinen ersichtlichen Grund dafür gegeben hatte. Gloria war mitten in der Nacht plötzlich eingefallen, dass sie gar keinen dunklen Hut hatte. Ein Telefonat im Morgengrauen ergab, dass Elena zwei besaß, die aber, im Stil der Zwanziger, eher aussähen wie Pilotenmützen, ob Gloria das etwas ausmache? Vom Wohnsitz ihres griechischen Mannes wurde ein Dienst-Mercedes auf den Weg gebracht, der einen schwarzen Hut in einer Plastiktüte von Harrod’s ablieferte. Gloria schickte ihn umgehend zurück, da ihr das schwarze Spitzenkopftuch ihrer Mutter doch lieber war: Sie würde es tragen wie eine mantilla . Und schließlich sei Tessa ja zur Hälfte Italienerin gewesen, erklärte sie.
»Aus Spanien, Darling«, erwiderte Elena.
»Unsinn«, gab Gloria zurück. »Ihre Mutter war eine toskanische Contessa. Das habe ich im Telegraph gelesen.«
»Die mantilla , Darling«, korrigierte Elena geduldig. » Mantillas sind aus Spanien, nicht aus Italien, fürchte ich.«
»Aber ihre Mutter war trotzdem Italienerin, verdammt«, fauchte Gloria – um fünf Minuten später wieder bei Elena anzurufen: Der Stress sei schuld an ihrer schlechten Laune.
Inzwischen waren die Woodrow-Jungen in die Schule verfrachtet worden, Woodrow selbst zum Hochkommissariat aufgebrochen, und Justin stand in Schlips und Kragen im Esszimmer herum und klagte, ihm fehlten Blumen. Nicht Blumen aus Glorias Garten, sondern aus dem eigenen. Er wolle die duftenden gelben Freesien, die er, wie er sagte, das ganze Jahr über nur für Tessa gezüchtet habe und die immer im Wohnzimmer auf sie gewartet hätten, wenn sie von ihren Exkursionen nach Hause gekommen sei. Er brauche mindestens zwei Dutzend davon für Tessas Sarg. Glorias Überlegungen, wie man die Blumen am besten herbeischaffen könne, wurden von dem wirren Anruf einer Lokalzeitung unterbrochen, die gerade eine Meldung vorbereitete: Man habe in einem ausgetrockneten Flussbett fünfzig Meilen östlich des Turkanasees Bluhms Leiche gefunden. Ob sich jemand dazu äußern wolle? Gloria schrie »Kein Kommentar!«, und knallte den Hörer auf die Gabel. Aber sie war doch erschüttert und innerlich zerrissen, weil sie nicht so recht wusste, ob sie Justin diese Neuigkeit jetzt gleich mitteilen oder damit bis nach der Beerdigung warten sollte. Mit großer Erleichterung nahm sie daher fünf Minuten später einen Anruf von Mildren entgegen, der erklärte, Woodrow sei in einer Besprechung, aber etwaige Gerüchte über Bluhms Leiche seien völlig haltlos: Die Leiche, für die eine Gruppe somalischer Banditen zehntausend Dollar verlange, sei mindestens hundert Jahre alt, wenn nicht tausend, und ob er wohl kurz mit Justin sprechen könne?
Gloria holte Justin ans Telefon und blieb geschäftig neben ihm stehen, als er sagte, ja – das sei ihm recht – sehr freundlich, er werde ganz bestimmt vorbereitet sein. Aber worin Mildrens Freundlichkeit bestand und worauf Justin sich vorbereiten wollte, blieb im Dunkeln. Und nein, danke – sagte Justin mit Nachdruck zu Mildren, was das Dunkel nur vertiefte –, er wünsche bei der Ankunft nicht abgeholt zu werden, er ziehe es vor, seine eigenen Vorbereitungen zu treffen. Dann legte er auf und bat Gloria – ziemlich spitz, wenn man bedachte, was sie alles für ihn getan hatte –, aus dem Zimmer zu gehen, er habe ein R-Gespräch mit seinem Anwalt in London zu führen. Das hatte er in den letzten Tagen bereits zweimal getan, ebenfalls ohne Gloria in seine Überlegungen mit einzubeziehen. Und so zog sie sich demonstrativ taktvoll in die Küche zurück, um an der Durchreiche zu lauschen –, fand dort aber den tief bekümmerten Mustafa vor, der mit einem Korb voll gelber Freesien, die er auf eigene Initiative in Justins Garten geschnitten hatte, ungebeten zur Hintertür hereingeschneit war. Immerhin gab dies Gloria einen Vorwand, zurück in den Salon zu
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