Der ewige Gaertner
marschieren, in der Hoffnung, wenigstens noch den Schluss von Justins Gespräch mitzubekommen. Er legte jedoch gerade auf, als sie eintrat.
Und plötzlich, ohne dass ihnen bewusst war, wie die Zeit verging, waren sie zu spät dran. Gloria, die inzwischen angekleidet war, hatte ihr Gesicht noch nicht einmal angerührt , niemand hatte auch nur einen Bissen gegessen, dabei war es schon weit nach Mittag; Woodrow wartete draußen im Volkswagen, Justin stand mit den nun zu einem Strauß gebundenen Freesien in der Eingangshalle, Juma lief mit einem Tablett voller Käsesandwichs von einem zum andern, und Gloria versuchte sich zu entscheiden, ob sie die mantilla unterm Kinn knoten oder über die Schultern legen sollte, wie ihre Mutter es immer getan hatte.
Und zwischen Justin und Woodrow auf die Rückbank des Transporters gequetscht, musste sie sich eingestehen, was Elena ihr seit Tagen ständig erzählt hatte: Sie, Gloria, hatte sich Hals über Kopf in Justin verliebt, etwas, das ihr seit Jahren nicht mehr passiert war. Allein die Vorstellung, dass er nun jederzeit verschwinden konnte, stürzte sie in abgrundtiefe Verzweiflung. Andererseits, hatte Elena es auf den Punkt gebracht, würde seine Abreise ihr zumindest erlauben, den Kopf klar zu bekommen und ihre ehelichen Pflichten wieder normal zu erfüllen. Und falls sich herausstellen sollte, dass seine Abwesenheit ihre zärtlichen Gefühle für ihn nur steigerte, nun, so hatte Elena wagemutig angedeutet, da habe Gloria ja allerlei Möglichkeiten, das in London zu regeln.
Die Fahrt durch die Stadt kam Gloria holpriger vor als gewöhnlich, und deutlicher, als ihr lieb sein konnte, spürte sie Justins warmen Oberschenkel an ihrem eigenen. Als der Volkswagen vor der Leichenhalle vorfuhr, hatte sie einen Kloß im Hals, das Taschentuch lag ihr als feuchtes Knäuel in der Hand, und sie hätte nicht mehr sagen können, ob sie nun um Tessa oder Justin trauerte. Die Hecktür wurde von außen geöffnet, Justin und Woodrow sprangen hinaus und ließen Gloria allein auf der Rückbank zurück bei Livingstone, der vorne sitzen blieb. Keine Journalisten, oder vielmehr: noch keine, stellte sie dankbar fest und versuchte, ihre Fassung wiederzugewinnen. Sie beobachtete ihre beiden Männer durch die Windschutzscheibe, wie sie die Stufen vor dem eingeschossigen Granitgebäude emporstiegen, dessen Dachkonstruktion entfernt an den Tudorbogen erinnerte. Justin trug einen seiner maßgeschneiderten Anzüge, und sein grauschwarzes Haar, das man ihn niemals kämmen oder bürsten sah, lag wie immer perfekt. In der Hand hielt er die gelben Freesien – und sein Gang war der eines Kavallerieoffiziers, die rechte Schulter vorgeschoben wie bei allen, die mit den Dudleys verwandt waren. Warum schien es nur immer so, als ginge Justin voran und Sandy folge ihm? Und warum wirkte Sandy neuerdings so unterwürfig, wie ein Butler? , klagte sie bei sich.
Wird Zeit, dass er sich mal einen neuen Anzug kauft; in diesem aus Sergestoff sieht er ja aus wie ein Privatdetektiv.
Die beiden verschwanden in der Vorhalle. »Papiere unterschreiben, Schatz«, hatte Sandy ihr von oben herab erklärt. »Freigabe des Leichnams und all dieser Unsinn.« Warum behandelt er mich auf einmal wie sein kleines Weibchen? Hat er vergessen, dass ich die ganze verdammte Beerdigung organisiert habe? Eine Schar schwarz gekleideter Träger hatte sich vor dem Nebeneingang der Leichenhalle versammelt. Die Tür schwang auf, und ein schwarzer Leichenwagen, an dessen Seite in dreißig Zentimeter großen, weißen Buchstaben unnötigerweise das Wort LEICHENWAGEN stand, rollte rückwärts auf die Männer zu. Gloria erhaschte einen flüchtigen Blick auf honigfarben gebeiztes Holz und gelbe Freesien, als der Sarg zwischen schwarzen Jacketts hindurch auf die offene Ladefläche glitt. Die müssen den Strauß mit Klebeband auf dem Deckel befestigt haben. Wie sonst kann man Freesien dazu bringen, unbeweglich auf einem Sarg liegen zu bleiben? Justin dachte aber auch an alles. Der Leichenwagen schwenkte auf den Vorplatz, die Träger waren eingestiegen. Gloria schniefte ausgiebig, dann putzte sie sich die Nase.
»Schlimme Sache, Madam«, ließ Livingstone vom Fahrersitz verlauten. »Ganz, ganz schlimme Sache.«
»Ja, das ist es, Livingstone«, sagte Gloria, dankbar, etwas Konventionelles zu hören und sagen zu dürfen. Man wird dich beobachten, junge Frau, ermahnte sie sich streng. Zeit, dass du dich zusammenreißt und ein gutes Beispiel gibst. Die Hecktür
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