Der ewige Gaertner
aber keine einzige Notiz dran hängt? Er habe sie aufgeräumt, sagte er. Ganz alleine, ohne Hilfe. Mustafa kann kein Englisch lesen, es ist ihm nicht gestattet, Tessas Sachen anzurühren, aber er räumt ihre Pinnwand leer. Wir haben ihn gefragt, was er mit den Merkzetteln gemacht hat. Sie verbrannt, erzählt er. Wer ihm gesagt habe, er solle sie verbrennen. Niemand. Wer ihm gesagt habe, er solle die Pinnwand leer räumen? Niemand. Am allerwenigsten Mr Justin. Wie gesagt, wir glauben, dass er versucht, Sie zu decken. Wir glauben, dass Sie die Zettel genommen haben, nicht Mustafa. Wir glauben, dass Mustafa Sie auch deckt, was den Laptop betrifft.«
Justin verfällt erneut in den Zustand künstlicher Gelassenheit, der Fluch und Tugend seiner Profession zugleich ist. »Ich fürchte, Sie berücksichtigen unsere kulturellen Unterschiede hier nicht ausreichend, Lesley. Die nahe liegendere Erklärung ist doch, dass der Laptop mit Tessa zum Turkanasee gereist ist.«
»Zusammen mit den Zetteln von ihrer Pinnwand? Das glaube ich nicht, Justin. Haben Sie sich während Ihres Besuchs erlaubt, irgendwelche Disketten einzustecken?«
Und in diesem Moment – aber nur in diesem – lässt Justin seine Deckung fallen. Denn während er einerseits entschlossen ist, alles zu leugnen, interessiert es ihn, Antworten zu erhalten.
»Nein, aber ich gestehe, dass ich danach gesucht habe. Der Großteil Tessas rechtlicher Korrespondenz war darauf gespeichert. Sie pflegte ihrem Anwalt in allen möglichen Angelegenheiten E-Mails zu schicken.«
»Und Sie haben sie nicht gefunden.«
»Sie waren immer auf ihrem Schreibtisch«, beteuert Justin überschwänglich, in dem Wunsch, das Problem mit ihnen zu teilen. »In einem hübsch lackierten Kästchen, das ihr ebenjener Anwalt letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hat. Auf dem Kästchen waren chinesische Schriftzeichen. Tessa hat sie sich von einem chinesischen Entwicklungshelfer übersetzen lassen und war entzückt, als sich herausstellte, dass es sich um eine Tirade gegen die verhassten westlichen Kapitalisten handelte. Ich kann nur vermuten, dass es denselben Weg gegangen ist wie der Laptop. Vielleicht hat Tessa auch die Disketten mit nach Loki genommen.«
»Warum hätte sie das tun sollen?«, fragt Lesley skeptisch.
»Ich bin nicht sehr beschlagen, was Informationstechnologie angeht. So Leid mir das tut. Im Polizeiprotokoll sind auch keine Disketten verzeichnet«, fügte Justin hinzu, als erhoffe er sich Rat von ihnen.
Rob überlegt laut. »Was immer sich auf den Disketten befand, müsste eigentlich auch auf dem Laptop sein. Es sei denn, Tessa hätte alles auf Disketten heruntergeladen und dann die Festplatte gelöscht. Aber wer würde so was tun und warum?«
»Tessa war, wie ich bereits sagte, sehr auf Sicherheit bedacht.«
Als beide nachdenklich schweigen, schließt sich Justin an.
Da fragt Rob grob: »Und wo sind Tessas Unterlagen jetzt?«
»Auf dem Weg nach London.«
»Per Diplomatenpost?«
»Nun, darüber bestimme ich. Das Außenministerium ist überaus hilfsbereit.«
Vielleicht ist es der Widerhall von Woodrows Ausflüchten darin, der Lesley veranlasst, auf ihrem Stuhl nach vorn zu rutschen und ihrem Ärger unverhohlen Luft zu machen.
» Justin !«
»Ja, Lesley.«
»Tessa hat doch Nachforschungen betrieben, oder? Vergessen Sie die Disketten. Vergessen Sie den Laptop. Wo sind ihre Unterlagen – ihre sämtlichen Unterlagen – schwarz auf weiß und in diesem Moment? «, verlangt sie zu wissen. »Und wo sind die Zettel von der Pinnwand?«
Justin schlüpft wieder in seine künstliche Rolle und schenkt Lesley ein tolerantes Stirnrunzeln, mit dem er ihr zu verstehen gibt, dass er sein Bestes tun wird, sich ihrem Willen zu fügen, selbst wenn sie sich höchst unvernünftig aufführt. »Zweifellos bei meiner persönlichen Habe. Wenn Sie aber wissen wollen, in welchem Koffer genau, da wäre ich doch etwas überfragt.«
Lesley wartet, bis ihr Atem wieder ruhiger geht. »Wir möchten Sie bitten, alle Ihre Gepäckstücke für uns zu öffnen. Wir möchten Sie bitten, uns auf der Stelle nach unten zu begleiten und uns alles zu zeigen, was Sie am Dienstag aus Ihrem Haus mitgenommen haben.«
Sie steht auf, gefolgt von Rob, der zur Tür geht und Abmarschbereitschaft signalisiert. Nur Justin bleibt sitzen. »Ich fürchte, das ist nicht möglich«, sagt er.
»Und warum nicht?«, fährt Lesley ihn an.
»Aus demselben Grund, aus dem ich die Unterlagen überhaupt an mich genommen habe. Sie
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