Der ewige Gaertner
»Vollstrecker ist wohl das passende Wort.«
Die ehrwürdigen Räumlichkeiten der Kanzlei Hammond Manzini befanden sich in einer durch ein Tor zugänglichen Sackgasse namens Ely Place, verteilt auf zwei wurmstichige Obergeschosse mit getäfelten Wänden, an denen in Auflösung befindliche Bilder der ruhmreichen Verstorbenen hingen. In zwei Stunden schon würden zweisprachige Angestellte in schmierige Telefonhörer murmeln, während Hams in Twinsets gekleidete Damen sich mit der modernen Technik herumschlügen. Doch morgens um sieben Uhr lag Ely Place noch verlassen da, abgesehen von dem Dutzend Autos, die im Rinnstein parkten, und dem gelben Licht, das in der Krypta der Kapelle St. Etheldra brannte. Unter dem Gewicht von Justins Gepäck ächzend, stiegen die beiden Männer vier baufällige Treppen hinauf zu Hams Büro, danach noch eine fünfte zu seiner Dachklause. In der winzigen Wohnküche hing das Foto eines schlankeren Ham, wie er unter dem Jubel eines studentischen Publikums ein Tor erzielt. In dem winzigen Schlafzimmer, in dem Justin sich umzog, schnitten Ham und seine Braut Meg eine dreistöckige Hochzeitstorte an, angefeuert von den Fanfaren in Strumpfhosen gekleideter italienischer Trompeter. Und in dem winzigen Bad, wo Justin unter die Dusche sprang, hing ein primitives Ölgemälde von Hams Geburtshaus im kältesten Northumbria, das der Grund für seine ständige Geldknappheit war.
»Vom Nordflügel hat’s das verdammte Dach weggerissen«, schrie Ham stolz durch die Küchenwand, während er Eier aufschlug und mit Pfannen klapperte. »Schornstein, Ziegel, Wetterfahne, Uhr, alles hin. Meg war auf Rosanne ausgeritten, Gott sei Dank. Wäre sie im Gemüsegarten gewesen, hätte sie den Glockenturm glatt ins Kreuz gekriegt.«
Justin drehte den Heißwasserhahn auf und verbrühte sich gleich die Hand. »Das muss ja ein schöner Schreck für sie gewesen sein«, sagte er mitfühlend, während er kaltes Wasser beimischte.
»Hat mir dieses außergewöhnliche kleine Buch zu Weihnachten geschickt«, dröhnte Ham zum Brutzeln des Schinkens. »Nicht Meg. Tess. Hat sie dir’s zufällig mal gezeigt? Das kleine Buch, das sie mir geschenkt hat? Zu Weihnachten?«
»Nein, Ham, ich glaube nicht –« Justin massierte sich Seife ins Haar in Ermangelung von Shampoo.
»So’n indischer Mystiker. Rahmi Soundso. Kommt dir das bekannt vor? Der Rest vom Namen fällt mir bestimmt gleich ein.«
»Leider nicht.«
»Geht darum, dass wir uns alle lieben sollten, auch ohne feste Bindung. Scheint mir ziemlich viel verlangt.«
Von der Seife geblendet, stieß Justin ein verständnisvolles Knurren aus.
» Freedom , Love and Action – das ist der Titel. Was zum Teufel soll ich Tessas Ansicht nach mit Freiheit, Liebe und Action wohl anfangen? Ich bin verheiratet, verdammt noch mal. Hab ein Baby in Vorbereitung. Und außerdem bin ich Katholik, Mensch. Tess war selber Katholikin, bevor sie abgefallen ist. Diese Göre.«
»Ich vermute, sie wollte dir danken für all die Scherereien, die du ihretwegen hattest.« Justin ergriff die sich bietende Gelegenheit für diesen Schuss ins Blaue, war aber darauf bedacht, den beiläufigen Ton ihrer Unterhaltung zu bewahren.
Die Verbindung zur anderen Wandseite riss vorübergehend ab. Das Brutzeln wurde lauter, gefolgt von ketzerischen Kraftausdrücken und dem Geruch nach Angebranntem.
»Was für Scherereien sollen denn das gewesen sein?«, brüllte Ham misstrauisch. »Ich dachte, du solltest von den Scherereien gar nichts wissen. Super geheim waren die, laut Tessa. ›Strengstens fern zu halten von allen Justins. Oder Sie gefährden Ihre Gesundheit.‹ Hat sie als Betreff in jede ihrer E-Mails eingebaut.«
Justin hatte ein Handtuch gefunden, aber vom Reiben wurde das Brennen in den Augen nur schlimmer. » Gewusst habe ich davon eigentlich nichts, Ham. Ich habe es sozusagen erraten«, erläuterte er mit gleich bleibender Beiläufigkeit durch die Wand hindurch. »Was solltest du für sie tun? Das Parlament in die Luft jagen? Das Trinkwasser vergiften?« Keine Antwort. Das Kochen nahm Ham vollkommen in Anspruch. Justin tastete nach einem sauberen Hemd. »Na, versuch nicht, mir zu erzählen, du hättest subversive Flugblätter über die Schulden der Dritten Welt verteilen müssen«, sagte er.
»Verdammte Firmenakten«, tönte es über neuerliches Töpfeklappern hinweg zurück. »Möchtest du zwei Eier oder eins? Sind von unseren Hühnern.«
»Eins reicht völlig, danke. Was für Dokumente waren
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