Der ewige Gaertner
adelige italienische Schwestern geheiratet, deren Schönheit legendär war. Nachdem die eine Tessa zur Welt gebracht hatte, war die andere mit Ham niedergekommen. Und als die Kinder größer wurden, verbrachten sie die Ferien zusammen auf Elba, fuhren miteinander zum Skilaufen nach Cortina und machten, praktisch Bruder und Schwester, gleichzeitig ihren Universitätsabschluss – Ham mit Verdiensten im Rugby und einer hart erkämpften Drei in Jura, Tessa mit einer Eins. Seit dem Tod von Tessas Eltern hatte Ham die Rolle des weisen Onkels übernommen, der mit glühendem Eifer das Familienvermögen verwaltete, ruinös vorsichtige Investitionen für sie tätigte und mit der ganzen Autorität seines vor der Zeit kahl werdenden Kopfes die Freigebigkeit seiner Cousine zügelte, während er selbst stets vergaß, ihr Rechnungen zu stellen. Er war schwer gebaut, mit rosig glänzendem Gesicht, seine Augen blitzten vor Schalk, und seine Gefühle spiegelten sich auf seinem beweglichen Gesicht wider. Wenn Ham Rommé spielt, pflegte Tessa zu sagen, erkennst du eher als er, was für ein Blatt er hat, und zwar daran, wie breit sein Grinsen ist, wenn er die Karten aufnimmt.
»Warum schmeißt du das Ding nicht einfach hinten rein?«, röhrte Ham, als sie in sein winziges Auto kletterten. »Na gut, dann stell es eben auf den Boden. Was hast du denn da drin? Heroin?«
»Kokain«, sagte Justin, während er diskret die Reihe der vereisten Autos musterte. Bei der Passkontrolle hatten ihn zwei weibliche Beamte mit auffallender Gleichgültigkeit durchgewinkt. In der Gepäckhalle hatten zwei gelangweilt wirkende Männer in Anzügen und mit Erkennungsmarken jeden gemustert außer Justin. Drei Wagen weiter steckten ein Mann und eine Frau in einem beigefarbenen Ford die Köpfe zusammen und studierten eine Karte. In einem zivilisierten Land kann man nie wissen, meine Herren, hatte der abgebrühte Ausbilder beim Sicherheitstraining gern gesagt. Am besten ist es, Sie gehen davon aus, dass Sie nicht allein sind.
»Fertig?«, fragte Ham schüchtern und schnallte sich an.
England war wunderschön. Die flachen Strahlen der Morgensonne vergoldeten die gefrorenen Äcker von Sussex. Ham fuhr wie immer: mit neunzig, wo hundert erlaubt war, und zehn Meter hinter dem hustenden Auspuff des nächsten sich anbietenden Lastwagens.
»Meg lässt herzlich grüßen«, verkündete er rau, was seine hochschwangere Frau ihm aufgetragen hatte. »Sie hat eine Woche nur geheult. Ich auch. Muss jetzt noch heulen, wenn ich nicht verdammt aufpasse.«
»Das tut mir Leid, Ham«, sagte Justin schlicht und nahm ohne Bitterkeit hin, dass Ham einer jener Trauernden war, die Trost bei den Hinterbliebenen suchen.
»Ich wünschte nur, sie würden den Scheißkerl finden«, platzte es einige Minuten später aus Ham heraus. »Und wenn sie ihn aufgeknüpft haben, können sie gleich auch noch diese Schweine aus der Fleet Street in die Themse werfen. Meg ist im Augenblick bei ihrer verdammten Mutter«, fügte er hinzu. »Das müsste doch reichen, damit’s endlich losgeht.«
Sie fuhren schweigend weiter. Ham starrte finster auf den stinkenden Laster vor ihnen, und Justin betrachtete verwirrt das fremde Land, das er ein halbes Leben lang im Ausland vertreten hatte. Der beigefarbene Ford hatte sie überholt, an seine Stelle war ein rundlicher Motorradfahrer in schwarzem Leder gerückt. In einem zivilisierten Land kann man nie wissen.
»Du bist übrigens reich«, trompetete Ham, als Felder und Wiesen den Ausläufern der Großstadt Platz machten. »Nicht, dass du vorher ein Bettler gewesen wärst, aber jetzt stinkst du vor Geld. Das Geld ihres Vaters, das ihrer Mutter, die Stiftung, der ganze Laden. Und du bist alleiniger Bevollmächtigter für ihre Wohltätigkeitsgeschichten. Sie meinte, du wüsstest schon, was damit zu tun ist.«
»Wann hat sie das gesagt?«
»Einen Monat, bevor sie das Baby verloren hat. Wollte sicherstellen, dass alles koscher ist für den Fall, dass sie’s nicht überlebt. Na ja, was zum Teufel sollte ich denn machen, Herrgott noch mal?«, fragte er flehentlich, weil er Justins Schweigen als Vorwurf missdeutete. »Sie war meine Klientin, Justin. Ich war ihr Anwalt. Hätte ich’s ihr ausreden sollen? Dich anrufen?«
Justin machte, während er den Außenspiegel im Blick behielt, die angemessenen Laute zu seiner Beschwichtigung.
»Und der andere Testamentsvollstrecker ist Bluhm, verdammt«, fügte Ham hinzu, etwas zu heftig für die geplante Beiläufigkeit.
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