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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Straßencafés und Tankstellen sowie die von ThreeBees hergestellten Autobatterien und Motoröle. Nichts davon durfte Justin benutzen, wenn sie zusammen mit dem Auto unterwegs waren. Zusätzlich hatte er auch jetzt wieder ihr wüstes Schimpfen im Ohr, in das sie ausbrach, wann immer ein ThreeBees-Plakat mit Napoleons gestohlenem Emblem von den Reklametafeln auf sie herabgrinste.
    »Wir bekommen recht häufig den Ausdruck radikal zu hören, Justin.« Lesley hob den Blick von ihren Notizen, um einmal mehr seinen Gedankengang zu unterbrechen. »War Tessa eine Radikale? Wo wir herkommen, bedeutet radikal auch militant. ›Macht kaputt, was euch kaputtmacht‹, und so weiter. Auf dieser Schiene ist Tessa aber nicht gefahren, oder? Und auch Arnold nicht. Oder doch?«
    Justins Antwort klingt so müde, als wäre sie ein Entwurf, den er für einen pedantischen Abteilungsleiter bereits mehrfach überarbeitet hat.
    »Tessa war der Überzeugung, dass die unverantwortliche Jagd nach Profit die Erde zerstört, und ganz besonders die Länder der Dritten Welt. Unter dem Deckmantel der Investitionen ruiniert das westliche Kapital die natürliche Umwelt und fördert die Herausbildung von Kleptokratien. So lautete ihre These, die man heutzutage wohl kaum mehr als radikal bezeichnen kann. Solche Äußerungen habe ich schon häufig in den Fluren der internationalen Gemeinschaft gehört. Sogar in meiner Kommission.«
    Wieder hält Justin inne, denn ihm drängt sich die Erinnerung an den unschönen Anblick des mehr als übergewichtigen Kenny K. auf, wie dieser am ersten Abschlag des Muthaiga Club den Schläger schwingt, während ihm Tim Donohue, der überalterte Chefspion, Gesellschaft leistet.
    »Folgt man dieser These, so ist Entwicklungshilfe an Dritte-Welt-Länder nichts anderes als Ausbeutung unter einem anderen Namen«, greift Justin den Faden wieder auf. »Nutznießer sind die Länder, die gegen Zinsen Gelder zur Verfügung stellen, lokale afrikanische Politiker und Beamte, die hohe Bestechungssummen kassieren, ferner westliche Auftragnehmer und Rüstungsfirmen, die riesige Profite einstecken. Die Opfer sind die einfachen Leute, die Entwurzelten, die Armen und die ganz Armen. Und die Kinder, die keine Zukunft haben«, zitiert er abschließend Tessa, in Gedanken bei Garth.
    »Glauben Sie das auch?«, fragt Lesley.
    »Für mich ist es ein bisschen spät, noch an irgendetwas glauben zu wollen«, antwortet Justin demütig, und es herrscht einen Moment lang Schweigen, bevor er – schon weniger demütig – hinzufügt: »Tessa war eine absolute Ausnahme: eine Juristin, die an Gerechtigkeit glaubte.«
    »Was wollten die beiden bei der Leakey-Grabung?«, fragt Lesley, nachdem sie seine Aussage schweigend zur Kenntnis genommen hat.
    »Vielleicht hatte Arnold dort im Auftrag seiner NGO zu tun. Leakey gehört nicht zu denen, die das Wohl der eingeborenen Afrikaner missachten.«
    »Vielleicht«, räumt Lesley ein und schreibt bedächtig etwas in ihr Notizbuch. »Kannte Tessa Leakey persönlich?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Und Arnold?«
    »Ich habe keine Ahnung. Vielleicht sollten Sie Leakey fragen.«
    »Mr Leakey hatte von beiden noch nie gehört, bis er letzte Woche seinen Fernseher eingeschaltet hat«, antwortet Lesley düster. »Mr Leakey verbringt momentan die meiste Zeit in Nairobi, wo er für Moi den Saubermann zu spielen versucht und große Schwierigkeiten hat, sich Gehör zu verschaffen.«
    Rob sieht Lesley fragend an. Sie gibt ihm mit einem unauffälligen Nicken ihr Einverständnis. Daraufhin beugt sich Rob vor und versetzt dem Aufnahmegerät einen aggressiven Schubs in Justins Richtung: Hier, sprich da rein!
    »Also, was versteht man unter dem Begriff ›Weiße Pest‹?«, fragt er mit Nachdruck, und sein überheblicher Ton legt nahe, dass Justin persönlich für ihre Ausbreitung verantwortlich ist. »Die Weiße Pest«, wiederholt er, als Justin zögert. »Kommen Sie schon, was ist das?«
    Justins Gesichtsausdruck ist einmal mehr stoisch und unbewegt. Er flüchtet sich in seinen offiziellen Tonfall. Erneut tun sich vor Justin mögliche Verbindungspfade auf, doch sie alle hat Tessa zuerst beschritten, und er hat die Absicht, ihr allein nachzugehen.
    »Die Weiße Pest, das war früher ein gebräuchlicher Ausdruck für Tuberkulose«, verkündet er. »Tessas Großvater ist an dieser Krankheit gestorben. Sie hat als Kind seinen Tod miterlebt. Tessa besaß auch ein Buch, das diesen Titel trug.« Dass dieses Buch auf ihrem Nachttisch

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