Der ewige Gaertner
begann sie, und ihre Stimme füllte den Raum bis in den letzten Winkel. »Und worauf wir uns jetzt noch nicht einigen müssen. Ich werde Sie nicht fragen, wie Sie sich Ihre Zukunft vorstellen. Oder Ihnen sagen, wie wir sie uns vorstellen. Dafür sind wir alle noch viel zu aufgeregt«, schloss sie mit schulmeisterlicher Zufriedenheit. »Übrigens, ich bin wie ein Rührkuchen. Glauben Sie nur nicht, dass ich aus mehreren Schichten bestehe. Ich bin überall gleich, egal wo Sie mich anschneiden.«
Vor ihr auf dem Tisch stand ein Laptop, es hätte gut und gern Tessas sein können. Beim Sprechen pickte sie mit einem grauen, an der Spitze wie eine Häkelnadel gekrümmten Stab gegen den Bildschirm. »Es gibt allerdings ein paar Dinge, die ich Ihnen sagen muss , und das will ich auch gleich tun.« Pick. »Ah. Genesungsurlaub bis auf weiteres, das ist das Erste. Bis auf weiteres, weil es natürlich von medizinischen Gutachten abhängt. Genesung, weil Sie traumatisiert sind, ob es Ihnen bewusst ist oder nicht.« Basta. Pick. »Wir bieten auch persönliche Beratungen an, und ich fürchte, mit zunehmender Erfahrung sind wir inzwischen ganz gut darin.« Ein trauriges Lächeln und noch ein Picken. »Dr. Shand. Emily wird Ihnen draußen Dr. Shands coordonnées geben. Sie haben einen vorläufigen Termin morgen um elf, den können Sie aber, wenn nötig, noch ändern. Es ist in der Harley Street, wo auch sonst? Stört es Sie, wenn es eine Frau ist?«
»Überhaupt nicht«, erwiderte Justin aufgeschlossen.
»Wo sind Sie untergebracht?«
»In unserem Haus. Meinem Haus. Ist es jetzt wohl. In Chelsea.«
Sie runzelte die Stirn. »Ist das nicht der Familiensitz?«
»Von Tessas Familie.«
»Ah. Aber Ihr Vater hat doch ein Haus in der Lord North Street. Ein sehr schönes, wenn ich mich recht erinnere.«
»Das hat er kurz vor seinem Tod verkauft.«
»Haben Sie die Absicht, in Chelsea zu bleiben?«
»Fürs Erste.«
»Wenn Sie dann bitte Emily auch von diesem Haus die coordonnées geben würden, bevor Sie gehen.«
Zurück zum Bildschirm. Brauchte sie ihn, um sich zu informieren oder um sich dahinter zu verstecken?
»Das bei Dr. Shand ist keine einmalige Sache, sondern was Längerfristiges. Sie berät Einzelpersonen, sie berät Gruppen. Und sie fördert den Austausch zwischen Patienten mit ähnlichen Problemen. Soweit die Sicherheitslage es erlaubt, selbstverständlich.« Pick. »Und falls Sie geistlichen Beistand wünschen, anstelle oder zusätzlich, können wir Vertreter aller Glaubensrichtungen nennen, die auf Herz und Nieren geprüft sind; Sie brauchen also nur zu fragen. Unser Standpunkt ist, man sollte ruhig alles versuchen, sofern es sicherheitstechnisch vertretbar ist. Wenn Dr. Shand nicht die Richtige für Sie ist, wenden Sie sich an uns, und wir suchen Ihnen jemand anders.«
Vielleicht bieten Sie auch Akupunktur an, dachte Justin. Und gleichzeitig fragte er sich, warum man ihm Beichtväter anbot, die von der Sicherheitsabteilung für unbedenklich erklärt worden waren, obwohl er doch gar keine Geheimnisse zu offenbaren hatte.
»Ach, ja. Hätten Sie gern eine Zuflucht , Justin?« Pick.
»Wie bitte?«
»Einen Ort der Ruhe. Um mal alles hinter sich zu lassen, bis der Aufruhr sich gelegt hat. Sie könnten sich dort völlig anonym aufhalten, Ihr inneres Gleichgewicht wieder finden, lange Spaziergänge in der Natur machen, mal eben schnell nach London kommen, wenn wir Sie brauchen oder Sie uns, dann schnell wieder zurück. Es ist ein Angebot. Kein ganz kostenloses in Ihrem Fall, aber von der Regierung großzügig subventioniert. Möchten Sie mit Dr. Shand darüber sprechen, bevor Sie sich entscheiden?«
»Wenn Sie meinen.«
»Ja, das meine ich.« Pick. »Sie sind in der letzten Zeit schwer gedemütigt worden, noch dazu in aller Öffentlichkeit. Wie hat sich das auf Sie ausgewirkt, können Sie das sagen?«
»Ich fürchte, ich habe mich nicht sehr viel in der Öffentlichkeit aufgehalten. Sie haben mich versteckt gehalten, falls Sie sich erinnern.«
»Dennoch haben Sie darunter gelitten. Niemand lässt sich gern als betrogener Ehemann hinstellen, niemand hat es gern, wenn die Presse in seinem Liebesleben rumschnüffelt. Trotzdem, Sie hassen uns nicht. Sie sind nicht wütend, fühlen sich nicht erniedrigt, hegen keinen Groll. Sie wollen keine Rache. Sie werden es überleben. Aber sicher. Sie sind doch einer von der alten Garde.«
Nicht sicher, ob das eine Frage war, eine Beschwerde oder einfach nur ihre Definition von
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