Der ewige Held 01 - Die ewige Schlacht
sein mochte, dachte ich am nächsten Morgen, ich würde es niemals verstehen. Und das war vermutlich auch gut so.
Ich begab mich an Deck, und da stand Ermizhad an der Reling, als hätte sie sich die ganze Nacht nicht von der Stelle bewegt. Der Himmel hatte sich etwas aufgeklärt, und breitgefächerte Sonnenstrahlen drängten sich durch die Wolken. Sie spiegelten sich auf dem unruhigen Meer, so daß die Welt bald dunkel, bald hell erschien.
Ein unfreundlicher Tag.
Eine Zeitlang standen wir schweigend, lehnten an der Reling, sahen das Wasser vorübergleiten und die Ruder in gleichförmigem Rhythmus steigen und fallen.
Wieder sprach sie zuerst.
»Was haben Sie mit mir vor?« fragte sie leise.
»Ihr seid eine Geisel für den Fall, daß Euer Bruder, Prinz Arjavh, jemals Necranal angreifen sollte«, erklärte ich ihr. Es gab noch andere Möglichkeiten, sie gegen ihren Bruder auszuspielen, aber es war unnötig, darauf einzugehen. »Ihr seid ganz sicher - König Rigenos würde sich selbst schaden, wenn Ihr verletzt würdet.«
Sie seufzte.
»Warum seid Ihr und die anderen Frauen nicht geflohen, als unsere Flotte Paphanaal erreichte?« fragte ich. Die Frage hatte mich schon geraume Zeit beschäftigt.
»Die Alten fliehen nicht«, sagte sie. »Sie flüchten nicht aus einer Stadt, die sie selbst erbaut haben.«
»Vor einigen Jahrhunderten flüchteten sie in die Berge der Trauer«, entgegnete ich.
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Sie wurden dorthin getrieben. Das ist der Unterschied.«
»Das ist ein Unterschied«, stimmte ich zu.
»Wer spricht von Unterschieden?« Eine neue, grobe Stimme unterbrach uns. Es war König Rigenos. Er war leise aus seiner Kabine getreten und stand mit gespreizten Beinen auf dem schwankenden Deck. Er beachtete Ermizhad überhaupt nicht, sondern starrte nur mich an. Er sah nicht gut aus.
»Seid gegrüßt, Sire«, sagte ich. »Wir sprachen über die Bedeutung von Worten.«
»Ihr seid ungewöhnlich vertraut mit dieser Schlampe«, höhnte er. Wie war es nur möglich, daß ein Mann, der sich oft als freundlich und tapfer erwiesen hatte, zu einem ungehobelten Barbaren wurde, sobald von den Alten die Rede war?
»Sire«, sagte ich, denn es war mir unmöglich, noch länger höflich zu bleiben, »Sire, Ihr sprecht über eine Gefangene, die, wenn auch unser Feind, trotzdem von edlem Blut ist.«
Wieder zog er ein hämisches Gesicht. »Edles Blut! Der ekle Saft, der durch ihre verseuchten Adern fließt, kann kaum als edel bezeichnet werden! Hütet Euch, Erekose! Ich weiß, daß Ihr mit unserer Art, mit unserem Wissen, nicht völlig vertraut seid, daß Eure Erinnerungen lückenhaft sind - aber denkt daran, daß diese Hure der Alten eine Zunge aus flüssigem Gold besitzt, die Euch und uns in den Untergang locken kann. Schenkt ihr kein Gehör!«
Es war die unverblümteste Warnung, die er bis jetzt ausgesprochen hatte.
»Sire ...« sagte ich.
»Sie wird Euch so verzaubern, daß Ihr nur noch ein bettelnder Hund zu ihren Füßen seid und für uns von keinem Nutzen. Ich warne Euch, Erekose, hütet Euch. Götter! Ich bin fast entschlossen, sie den Ruderern zu überlassen, bevor wir sie über Bord werfen!«
»Ihr habt sie unter meinen Schutz gestellt, Lord König«, gab ich zornig zur Antwort. »Und ich habe geschworen, sie vor ALLEN Gefahren zu beschützen!«
»Narr! Ich habe Euch gewarnt. Ich möchte Eure Freundschaft nicht verlieren, Erekose - und was mehr ist, ich möchte unseren Heerführer nicht verlieren. Gibt es weitere Anzeichen dafür, daß sie Euch in ihren Bann zieht, werde ich sie töten. Niemand wird mich daran hindern.«
»Ich tue Eure Arbeit, König«, sagte ich, »auf Eure Bitte. Aber bedenkt IHR dieses - ich bin Erekose. Ich lebte in der Gestalt vieler anderer Helden. Was ich tue, ist für die Menschheit. Ich habe Euch keinen Treueeid geleistet, noch irgendeinem anderen König. Ich bin Erekose, der Held - der Held der Menschheit - nicht Rigenos' Held!«
Seine Augen verengten sich. »Ist das Verrat, Erekose?« Beinahe kam es mir so vor, als hoffte er darauf.
»Nein, König Rigenos. Ein Zwist mit einem einzigen Vertreter der Menschheit bedeutet nicht Verrat an der gesamten menschlichen Rasse.«
Er sagte nichts, sondern stand nur da und schien mich ebensosehr zu hassen wie das Mädchen. Sein Atem ging schwer und laut.
»Gebt mir keinen Grund zu bereuen, daß ich Euch gerufen habe, toter Erekose«, meinte er schließlich und ging in seine Kabine zurück.
»Ich halte es für das
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