Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der ewige Held 02 - Der Phönix im Obsidian

Der ewige Held 02 - Der Phönix im Obsidian

Titel: Der ewige Held 02 - Der Phönix im Obsidian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
Vom Netzwerk:
mit der Axt auf genau die gleiche Stelle schlug, die ich schon einmal getroffen hatte.
    Der Knochen splitterte. Ein wenig Blut quoll hervor. Aber das hatte nur zur Folge, daß die Bewegungen des Untieres noch wilder wurden. Auf den Vorderflossen watschelte es blindlings durch die Höhle, scheuerte sein Geweih an Decke und Wänden, um mich loszuwerden.
    Aber ich hielt fest.
    Und ich schlug wieder zu.
    Diesmal flogen Knochensplitter durch die Luft, und aus dem Blutrinnsal wurde ein Strom.
    Ein furchterregendes Gebrüll, das sich zu einem Kreischen der Wut und der Angst steigerte.
    Wieder ein Hieb.
    Der Axtgriff splitterte unter der Gewalt des Schlages, und ich behielt nur den zerbrochenen Stiel in der Hand.
    Aber die Klinge war in das Gehirn gedrungen.
    Der massige Körper schlug auf den Boden, als die Flossen ihre Kraft verloren.
    Das Wesen wimmerte mitleiderregend, versuchte vergeblich sich aufzurichten.
    Mit einem gurgelnden Geräusch strömte eine letzte Mischung aus Blut und Atemluft aus dem Maul.
    Der Kopf fiel zur Seite, und ich mit ihm. Den Bruchteil einer Sekunde bevor das Geweih auf den Boden schlug, sprang ich ab.
    Der Seehirsch war tot. Mit einer Hand hatte ich ihn getötet.
    Ich versuchte, die Axt aus dem Schädel zu lösen, aber die Klinge war zu tief eingedrungen. Ich ließ die Waffe zurück und stolperte halb betäubt aus der Höhlenöffnung.
    »Es ist vorbei«, sagte ich. »Eure Beute ist tot.«
    Ich fühlte keinen Stolz über meinen Sieg. Ich blickte zum Schiff.
    Aber da war kein Schiff.
    Bischof Belphigs Meeresfahrzeug war davongerollt, vermutlich zurück nach Rowenarc - zweifellos, weil man mich für tot hielt.
    »Belphig!« rief ich, in der Hoffnung, daß meine Stimme weiter über das Wasser trug, als ich sehen konnte. »Morgeg! Ich lebe! Ich habe den Hirsch getötet!«
    Keine Antwort.
    Ich blickte auf die tiefhängenden braunen Wolken. Auf den düsteren, feindseligen Ozean.
    Ich befand mich allein mitten in einem Alptraum-Meer, das, wie Belphig gesagt hatte, keine Schiffe befuhren. Allein, bis auf die Leichen der Harpuniere, den toten Seehirsch.
    Panik erfüllte mich.
    »BELPHIG! KOMMT ZURÜCK!«
    Ein schwaches Echo. Sonst nichts.
    »ICH LEBE!«
    Und das Echo schien diesmal lauter zu sein, und es schien höhnisch zu klingen.
    Lange konnte ich auf diesem nackten Felsbuckel, der kaum dreißig Meter breit war, nicht überleben. Ich kletterte so hoch hinauf, wie es möglich war. Aber was hatte das für einen Sinn, da der Horizont dieses in ewigem Halbdunkel erstickten Meeres auf allen Seiten mit braunen Wolkenbänken verhangen war.
    Ich setzte mich auf einen schmalen Absatz, die einzige einigermaßen ebene Fläche auf dem gesamten Felsen.
    Ich zitterte. Ich hatte Angst.
    Es schien kälter zu werden und ich zog den Mantel enger, aber das nützte nichts gegen die Kälte in meinen Knochen, der Leber, dem Herzen.
    Vielleicht war ich ein Unsterblicher. Ein ewig wiedergeborener Phönix. Ein Wanderer durch die Ewigkeit.
    Aber wenn ich hier sterben sollte, würde das Sterben eine ganze Ewigkeit dauern. Wenn ich ein Phönix war, dann ein auf Obsidian gefangener Phönix, wie eine in Bernstein eingeschlossene Fliege.
    Bei diesem Gedanken verließ mich aller Mut und ich bedachte mein Schicksal mit nichts als Verzweiflung.

DRITTES BUCH
    GESCHICHTE UND ENTHÜLLUNGEN
    Der Bestimmung Held, des Schicksals Narr. Der Ewigkeit Soldat,
    Werkzeug der Zeit.
     
    - Die Chronik des Schwarzen Schwertes

I
    DER LACHENDE ZWERG
    Der Kampf mit dem Seehirschen hatte mich so erschöpft, daß ich nach einer Weile einschlief, den Rücken gegen die Felsen gelehnt, die Beine auf dem Felsband ausgestreckt.
    Als ich erwachte, hatte ich wieder etwas Mut gefaßt, obwohl ich keinen Ausweg aus meiner Zwangslage entdecken konnte.
    Der aus dem Höhleneingang dringende Gestank verstärkte sich, als das Fleisch des Hirschen zu verwesen begann. Außerdem hörte ich noch ein unangenehmes, gleitendes Geräusch. Als ich über die Kante blickte, sah ich tausende von schlangenähnlichen Kreaturen in der Höhle verschwinden. Zweifellos waren es die Aasfresser des Meeres. Hunderte schwarzer Körper ballten sich zu dicken Klumpen zusammen, während sie über die Felsen glitten.
    Jeder Gedanke, das Fleisch des Ungeheuers vielleicht als Nahrung zu verwenden, verging mir. Ich hoffte, daß die abscheulichen Geschöpfe ihre Mahlzeit rasch beenden und wieder verschwinden würden. Wenigstens unsere Harpunen lagen allesamt noch in der Höhle. Sobald es möglich

Weitere Kostenlose Bücher