Der ewige Held 02 - Der Phönix im Obsidian
verstehe.« Ich blickte über das unfreundliche Meer.
Jermays kräuselte die Nase. »Ich bin nur an wenigen Orten gewesen, die so ungemütlich waren wie dieser. Ich kann verstehen, warum Ihr ihn verlassen möchtet. Vielleicht, wenn Ihr das Schwarze Schwert ergreifen würdet ...?«
»Nein!«
Er war verstört. »Vergebt mir. Ich wußte nicht, daß Ihr in dieser Sache so unnachgiebig seid.«
Ich breitete die Hände aus. »Etwas sprach aus mir heraus. Etwas, das sich - um jeden Preis - gegen das Schwarze Schwert zur Wehr setzt.«
»Dann seid .«
Jermays war verschwunden.
Ich war wieder allein. Wieder fragte ich mich, ob er nur eine Illusion gewesen war, ob mein Leben hier eine Illusion war, ob diese ganzen Dinge sich nicht in dem schlafenden oder wahnsinnigen Gehirn John Dakers abspielten ...
Die Luft vor mir geriet plötzlich in Bewegung und begann zu leuchten. Es kam mir vor, als blickte ich durch ein Fenster in eine andere Welt. Ich ging auf das Fenster zu, aber es hielt immer denselben Abstand ein.
Ich blickte hindurch, und ich sah Ermizhad. Sie erwiderte meinen Blick.
»Erekose?«
»Ermizhad, ich werde zu dir zurückkehren.«
»Du kannst nicht, Erekose, bevor du nicht das Schwarze Schwert ergriffen hast .«
Und das Fenster schloß sich, und ich sah nur das dunkle Meer.
Ich brüllte meine Wut zu dem immer tiefer sinkenden Himmel hinauf.
»Wer immer du auch bist, der mir das angetan hat - ich werde mich rächen!«
Meine Worte wurden von der Dunkelheit aufgesogen.
Ich kniete auf dem Felsband nieder und schluchzte.
»HELD!«
Eine Glocke läutete. Die Stimme rief.
»HELD!«
Ich blickte mich um und sah nichts.
»HELD!«
Dann ein Flüstern: »SCHWARZES SCHWERT. SCHWARZES SCHWERT. SCHWARZES SCHWERT.«
»NEIN!«
»DU WEHRST DICH GEGEN DIE BESTIMMUNG, FÜR DIE DU ERSCHAFFEN WURDEST. ERGREIFE DAS SCHWARZE SCHWERT, HELD. ERGREIFE ES UND GENIESSE DEN RUHM!«
»ICH KENNE NUR ELEND UND SCHULD. ICH WERDE DAS SCHWERT NICHT TRAGEN.«
»DU WIRST.«
Die Behauptung war positiv. Sie drückte keine Drohung aus, nur Überzeugung.
Die schlangenähnlichen Aasfresser waren ins Meer zurückgekehrt. Ich stieg in die Höhle hinab und entdeckte die Knochen des gewaltigen Seehirschen, die Skelette meiner Begleiter. Der große Schädel betrachtete mich in stummer Anklage. Schnell suchte ich die Harpunen zusammen, zog die zerbrochene Axt aus dem Schädel und kehrte auf das Felsband zurück.
Mit gerunzelter Stirn dachte ich an Erekoses Schwert zurück. Die seltsame, giftige Klinge war tödlich genug gewesen. Ich hatte nicht gezögert, sie in die Hand zu nehmen. Aber vielleicht war das Schwert, wie Jermays angedeutet hatte, nur eine Erscheinungsform des Schwarzen Schwertes gewesen. Ich schob den Gedanken beiseite.
Ich legte die Waffen beiseite und wartete auf die nächste Erscheinung.
Sie ließ nicht lange auf sich warten.
Es war ein großes Floß, das eher einem Schlitten ähnelte und in seinen Verzierungen dem Meeresfahrzeug glich, das mich hierhergebracht hatte. Aber dies Gefährt wurde nicht von Seetieren gezogen. Statt dessen wurde es von Vögeln über das Wasser geschleppt, deren Aussehen an übergroße Reiher erinnerten, die nicht mit Federn, sondern mit dunklen, glänzenden Schuppen bedeckt waren. Eine Gruppe von Männern befand sich auf dem Schlitten, sie waren in dicke Felle und Kettenhemden gekleidet und trugen Schwerter und Speere.
»Geht weg!« rief ich. »Laßt mich allein.«
Sie achteten nicht auf mich, sondern lenkten ihr unheimliches Fahrzeug auf die Felsen zu.
Ich packte die Streitaxt an dem zerbrochenen Stiel. Diesmal, beschloß ich, Halluzination oder nicht, würde ich meine Peiniger vertreiben oder bei dem Versuch umkommen.
Jetzt rief mir jemand etwas zu, und die Stimme klang vertraut. Ich wußte, daß ich sie in einem meiner Träume gehört hatte.
»Graf Urlik! Graf Urlik - seid Ihr das?«
Der Sprecher hatte seine Fellkapuze zurückgeschoben, darunter kam ein Wust roter Haare zum Vorschein und ein junges, hübsches Gesicht.
»Verschwindet!« schrie ich. »Ich will keine weiteren Rätsel hören!«
Das Gesicht schien verwirrt.
Die schuppigen Reiher vollführten eine Wendung, und der seltsame Schlitten glitt näher heran. Ich stand auf meinem Felsvorsprung, die Streitaxt angriffslustig in der Hand.
»Verschwindet!«
Aber die Reiher kreisten über meinem Kopf. Sie ließen sich auf der Spitze des Felsens nieder und falteten ihre ledernen Flügel. Der rothaarige Mann sprang aus dem
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