Der ewige Krieg 03 - Der ewige Friede
Frust und Sehnsucht, teils nach Amelia, die ich in dieser verrückten Woche der Isolation kaum gesehen hatte, teils nach der unwiederbringlichen Vergangenheit. Es würde nie wieder eine Carolyn geben – und nicht nur, weil sie tot war. In mir war dieser Teil ebenfalls gestorben.
Das Gespräch wandte sich weniger gefährlichen Themen zu. Die Runde diskutierte einen Film, den alle mit Ausnahme von Franklin schlecht gefunden hatten. Ich heuchelte Interesse, während meine Gedanken immer wieder um das Selbstmord-Thema kreisten.
Wenn ich eingeklinkt bin, scheint der Todeswunsch nie an die Oberfläche zu driften. Vielleicht ist er meinen Vorgesetzten ja bekannt und sie haben eine Möglichkeit, ihn zu unterdrücken. Ich weiß, dass ich ihn selbst unterdrücke. Selbst Candi blieb er bis zuletzt verborgen.
Aber ich kann das keine fünf Jahre mehr durchhalten, all das Töten und Sterben. Und der Krieg will einfach kein Ende nehmen.
Ich empfinde keine Trauer, wenn ich an Selbstmord denke. Für mich wäre der Tod kein Verlust, sondern ein Ausstieg. Es geht längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wann und Wie.
Eine Trennung von Amelia wäre wohl gleichbedeutend mit dem Wann. Für das Wie steht bisher nur fest, dass ich unbedingt eingeklinkt sein möchte. Vielleicht kann ich ein oder zwei Generäle mit auf die Reise nehmen. Die eigentliche Planung hat noch Zeit. Aber ich weiß, wo sich die Generäle in Portobello, Haus 31, aufhalten, und bei meiner langjährigen Operator-Erfahrung dürfte es mir nicht schwer fallen, einen Kontakt zu den Soldierboys herzustellen, die das Gebäude bewachen. Es gibt Möglichkeiten, sie für einen Sekundenbruchteil abzulenken. Ein Problem stellen die Stiefel dar; ich möchte sie bei meinem Eindringen auf keinen Fall töten.
»Huhuu, Julian? Jemand daheim?« Das war Reza vom Nachbartisch.
»Entschuldige. Ich hatte gerade über etwas nachgedacht.«
»Nachdenken kannst du auch bei uns. Wir haben ein Physikproblem, mit dem Blaze überfordert ist.«
Ich nahm mein Glas und setzte mich zu ihnen. »Dann geht es vermutlich nicht um Teilchen.«
»Nein. Die Frage ist eher praktischer Natur. Warum dreht sich das Wasser, das aus einer Badewanne abfließt, auf der Nordhalbkugel in eine Richtung und auf der Südhalbkugel in die andere?«
Ich schaute Amelia an, und sie nickte mit ernster Miene. Sie kannte die Antwort, und Reza vermutlich auch. Die beiden versuchten mich vor dem Soldierboy-Gerede zu retten.
»Das ist einfach. Wassermoleküle sind magnetisiert. Sie richten sich immer nach Norden oder Süden aus.«
»Quatsch«, sagte Belda. »Wenn Wasser magnetisiert wäre, wüsste das sogar ich.«
»Genau genommen ist das Altjungferngeschwätz, wenn du mir den Ausdruck gestattest.«
»Ich bin eine alte Witwe«, stellte Belda klar.
»Welche Richtung das Wasser nimmt, wird von der Größe und Form der Badewanne sowie von Besonderheiten in der Umgebung des Ablaufs bestimmt. Die meisten Leute glauben fest an dieses Hemisphären-Märchen, ohne zu bemerken, dass das Wasser in manchen Becken ihrer Häusern falsch herum abfließt.«
»Ich muss sofort heim und das nachprüfen.« Belda trank ihr Glas leer und stand umständlich auf. »Benehmt euch anständig, Kinder, wenn ich weg bin!« Sie ging zu den anderen und verabschiedete sich.
Reza sah ihr mit einem Lächeln nach. »Sie hatte den Eindruck, dass du da drüben ein wenig verloren aussahst.«
»Und traurig«, sagte Amelia. »Das fand ich auch. Ein so schreckliches Erlebnis, und dann wühlen wir es noch einmal auf!«
»Das sind Dinge, auf die man im Training nicht vorbereitet wird. Das heißt, in gewisser Weise versuchen sie es. Sie klinken uns in Aufzeichnungen von Sterbenden ein, erst oberflächlich, dann intensiver.«
»Manche Jack-Freaks machen sowas zum Vergnügen!« warf Reza ein.
»Ich überlasse ihnen gern meinen Job.«
»Ich habe die Werbung gesehen.« Amelia presste die Arme eng an den Körper. »Die Empfindungen von Menschen, die bei Rennunfällen sterben. Hinrichtungen…«
»Das Zeug unter dem Ladentisch ist noch schlimmer.« Ralph hatte das eine oder andere Angebot ausprobiert, und so war ich aus zweiter Hand ebenfalls in den zweifelhaften Genuss gekommen. »Die Aufzeichnungen vom Tod unserer Ersatzleute sind vermutlich inzwischen auf dem Markt.«
»Die Regierung kann doch nicht…«
»Oh, die Regierung kann sehr wohl«, unterbrach Reza sie. »Ich nehme an, die Rekrutierungsbehörde hat eine eigene Abteilung, die dafür
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