Der Experte: Thriller (German Edition)
bleiben.«
»Danke«, sagte er, nahm den Pass, griff seine Taschen und ging durch die Absperrung. Matheson lehnte zwanzig Meter entfernt an einer Wand. Er nahm seine Reisetasche hoch, und sie gingen zum Ausgang.
»Wir checken im Hotel ein, dann gehe ich los und sehe mich nach möglichen Treffpunkten um. Ich werde ihm ein paar Möglichkeiten anbieten und ihn wählen lassen, damit er keine Angst bekommt.«
Der anonyme E-Mail-Versender hatte auf Mathesons Nachricht innerhalb einer Stunde reagiert: Er werde sich mit ihnen in Paris treffen. Matheson hatte die Zimmer reserviert und die Flugkarten besorgt – Economy und drei Sterne. Nicht, dass das Geld knapp gewesen wäre; vor neun Jahren hatte Matheson sechzehn Millionen Dollar geerbt, nachdem sein Vater, ein Hedgefond-Manager, von einem Moment zum anderen tot zusammengebrochen war. Doch bis auf die Alimente für Ezra betrachtete er jeden Cent als Teil des Budgets von Veritas Arcana. Zudem waren Flüge erster Klasse und Luxussuiten nicht nur teuer, sondern auch auffällig.
Glastüren öffneten sich selbsttätig, als sie näher kamen, und die beiden Männer traten nach draußen auf die lange Reihe von Taxis zu. Matheson blickte in den Himmel. Die frühmorgendliche Sonne war ein weißer Schmierfleck hinter einer dahinkriechenden Wolkenphalanx. Er ging zu einem Zeitungsautomaten, warf eine Münze ein und nahm ein Exemplar der International Herald Tribune heraus.
»Es besteht eine sechzigprozentige Wahrscheinlichkeit, dass es morgen regnet«, sagte er.
»Spielt das eine Rolle?«
»Möglicherweise.« Matheson winkte zu dem Taxi am Kopf der Schlange. »Taxi!«
Der Mann senkte die Kreuzworträtselseite der Herald Tribune und beobachtete, wie die Männer in ein Taxi stiegen. Er hob das Handy an die Lippen.
»Sie steigen in ein Taxi. Fahren Sie vor, aber nicht zu schnell.« Über seinem Englisch lag die cremige Glasur eines französischen Akzents.
»Bin unterwegs«, kam die Antwort.
Als das Taxi losfuhr, glitt ein silberfarbener Citroën DS4 an der Reihe der geparkten Taxis vorbei und hielt, und der Franzose öffnete die Beifahrertür und stieg ein.
»Sie haben sie?«, fragte er.
Der Fahrer nickte. »Blauer Opel, Nummernschild BD-611-AX.« Er sprach tonlos und nasal, und sein Gesicht hätte von einem Werbeplakat der Pfadfinder stammen können. »Sie sind zu zweit?«
»Ja. Bin nicht sicher, was das soll. Ich rufe mal an. Fahren Sie.«
Der Fahrer ließ die Fingerknöchel knacken und krümmte jeden Finger nach innen zu den Handflächen, dann packte er das Lenkrad und fädelte sich in den Verkehr ein. Er blieb drei Wagen hinter ihrem Ziel. Das Taxi folgte den Schildern mit der Aufschrift: PARIS – A6B.
Der Franzose tippte auf sein Handy, und während er wartete, betrachtete er aus dem Augenwinkel den Fahrer, der nicht einmal halb so alt war wie er. Irgendwie schien es, als wären heutzutage alle nur so halb so alt wie er. Dieser Bursche war vor zwei Jahren von der Army gekommen, arbeitete nun ein Jahr freischaffend, war voller Allüren und Fragen. – Gung-ho, wie man in den Staaten gern dazu sagte.
»Wir verlassen den Flughafen«, meldete er ins Handy. »Matheson ist hier. Verkleidet. Und er hat einen anderen Mann bei sich.« Mit dem Daumennagel fuhr er langsam den tiefen Spalt in seinem Kinn nach. Es war eine alte Gewohnheit und zeigte eine hohe Konzentration an. »Alles klar«, sagte er und legte auf. »Wenn sie sich trennen, übernimmt jeder von uns einen.«
Der Fahrer hielt den Blick auf der Straße. »Yessir.«
Der Franzose zog einen Kugelschreiber hinter dem Ohr hervor und blickte auf das Kreuzworträtsel in seinem Schoß.
»Dewey«, sagte er. »Tun Sie mir einen Gefallen und nennen Sie mich nicht Sir. Sie sind nicht mehr beim Militär – und ich fühle mich auch so schon alt genug.«
Der Fahrer nickte rasch. »Okay.«
Der Franzose blickte auf die Uhr und notierte sich die Zeit am Rand der Zeitung. Dewey warf einen Blick zur Seite.
»Das ist eine tolle Uhr, Victor.«
Victor hob das Handgelenk. »Eine Zannetti Dragon.« Er betrachtete das große Zifferblatt, auf dem ein golden-grüner chinesischer Drache zu sehen war, der aus Tausenden kleiner Vertiefungen bestand. Er dachte zurück. Mailand … 2003 … Der Rennfahrer, der das Mädchen vergewaltigt hatte … an ihre Familie übergeben. »Wenn ich einen Job erledigt habe, kaufe ich immer etwas in der jeweiligen Stadt, ehe ich abreise. Ein Ritual könnte man es nennen.« Er blickte wieder auf das
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