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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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Finger beendeten ihren Tanz und kamen auf der Tischplatte zur Ruhe. »Du hast mir erzählt, wie du aufgewachsen bist, wie du Reporter bei der Times wurdest …«
    »Hm-hmm.«
    »Dann hast du von deiner Trinkerei gesprochen und deiner Runterstufung zur Nachrufabteilung. Du hast nicht erwähnt, was dazwischen passiert war. Du sagtest nur: Kennen Sie das Gefühl … wenn man ganz unten ankommt und begreift, dass man genau da ist, wo man hingehört?«
    Harry grinste – doch es gab nichts zu lachen. Sein Magen rotierte wie eine Waschmaschine. Er klopfte seine Taschen nach einem Pepcid ab, aber er fand keins und trank einen großen Schluck Wasser, um dem Aufsteigen der Säure zuvorzukommen. Doch er besaß keine Strategie zur Abwendung der Vision. Wie so oft hatten die Götter entschieden, an einem äußerst gewöhnlichen Tag mit dem Chaos loszulegen …
    Als sie anrief, hatte er an seinem Schreibtisch im alten Times Building gegessen. Nachdem er kurz auf die Aufzuganzeigen geblickt hatte, war er die elf Stockwerke zu Fuß hinuntergerast, fünf Stufen auf einmal. Der Verkehr auf dem Times Square war ein gesinterter Klotz aus hupendem Stahl und Gummi. Gelähmt hatte er dagestanden, an die Unzuverlässigkeit der U-Bahnen zur Rushhour gedacht und einen wilden Sprint begonnen – nach Westen zur Ninth Avenue, dann sechzehn Blocks nach Norden, »’tschuldigung!« und »Platz da!« brüllend. Er erinnerte sich an den Schwall versengter Luft in seiner Lunge, als er im St. Lukes-Roosevelt zum Stehen kam und tief einatmete …
    Harry stellte das Glas hin und begegnete Geigers Blick.
    »Ich hatte einmal ein Kind«, sagte er. »Ein kleines Mädchen. Mit Christine.«
    Die einzige Regung in Geigers Gesicht bestand aus einer unwillkürlichen Verengung der Pupillen. Harry seufzte wieder. Solch ein Geräusch hörten Priester durch die Vorhänge des Beichtstuhls. Er schob das Bild zurück in die Vergangenheit und beugte sich vor.
    »In letzter Zeit habe ich viel über etwas nachgedacht. Über Ezra. Er leidet. Er muss es wissen, Geiger. Er muss es wirklich wissen.«
    »Wir haben darüber gesprochen. Auf lange Sicht ist es für ihn besser, wenn er es nicht weiß.«
    »Ich bin da anderer Meinung.«
    Geigers Hand begann wieder – vom kleinen Finger bis zum Daumen trommelten die Finger auf den Tisch. »Harry … Ich weiß, was für …«
    Plötzlich schnellte Harrys Hand vor, schlug auf Geigers Hand und drückte sie flach auf den Tisch.
    »Sag jetzt bloß nicht, du weißt, was für dich am besten ist! Ich habe dich das tausend Mal sagen hören, und ich weiß immer noch nicht, was zum Teufel das eigentlich heißen soll! Himmel … Nur einmal … Ich wünschte, du würdest nur einmal …«
    Harry nahm die Hand wieder weg und lehnte sich kopfschüttelnd zurück. Geiger blieb reglos sitzen. Harry schien als Einziger von seinem eigenen Ausbruch überrascht zu sein.
    »Weiter, Harry. Was möchtest du, das ich tue?«
    Geiger, wie er leibte und lebte. Tonlos, der Körpersprache nicht mächtig, für andere ein lebender Rorschach-Fleck. Für einen Jones konnte dieses Gebaren unheilvoll und zugleich geduldig, arktisch kalt, weise erscheinen. Für Harry war es oft, als erhasche er einen Blick auf ein Kind, das sich hinter der Fassade verbarg.
    »Also … Es mag für dich am besten sein, aber es ist nicht das Beste für Ezra.« Er klopfte auf den Umschlag. »Sein iChat-Nickname ist Zman. In einem Wort, Z-M-A-N. Es steht hier drin, zusammen mit seiner Adresse und Handynummer. Du hast ihm das Leben gerettet – aber er glaubt, du hättest dich für ihn geopfert. Er muss wissen, dass es dir gut geht. Also … Entweder sagst du es ihm selbst, auf die eine oder andere Art – oder ich tue es, sobald ich wieder da bin.« Harry erhob sich. »Zeit zu gehen. Ich hab noch einiges zu tun. Ich melde mich, wenn ich wieder in der Stadt bin.«
    Geiger nickte, einmal, und sah Harry nach, wie er zur Tür hinausging und verschwand. Seine Blickrichtung wechselte und fixierte die glänzenden Fettschlieren, die auf der Oberfläche des Kaffeerests in der Tasse schwammen. Das Lokal wirkte plötzlich lauter, und jedes Klirren und jedes gemurmelte Wort fräste seine eigene Spur in den akustischen Wirbel ein. Eine winzige Faser feuerte in dem Teil seines Gehirns, das die Geheimnisse hütete, an die er sich nicht erinnerte, und er hörte ein Seufzen, wohlklingend und trauervoll, aber er war sich nicht sicher, ob es von einem Tisch oder aus einer Sitznische kam oder

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