Der Facebook-Killer
warf ihn auf den Tisch: Er enthielt das billige, von der Feuerwehr zerschlagene Vorhängeschloss.
Geza wurde flau im Magen, als sie an die letzten Minuten in Michelle Tourrendes Leben dachte.
Eingeschlossen.
Zum Sterben weggesperrt.
Chancenlos.
Eine schlimme Ahnung in ihr wurde zur Gewissheit. Sie suchte Bavarois’ Blick und las darin nur finstere Entschlossenheit.
Mit kratziger Stimme sagte sie: „Sie hatten ziemlich sicher recht, Monsieur Bavarois. Auch wenn der Einwand aus der Lagebesprechung, dass er den Modus Operandi wechselt, nicht von der Hand zu weisen ist: Wir haben es hier mit einem Serienmörder zu tun.“
In die drückende Stille hinein sagte Khalil Larbi:
„Verdammt.“
Nach dieser Enthüllung brauchten sie alle eine Pause. In kleinen Grüppchen standen die Ermittler am Kaffeeautomaten auf dem Flur, die Stimmung war gedrückt; die Wölfin befüllte den Wasserkocher, um sich einen Tee aufzubrühen. Bavarois trat stirnrunzelnd zu ihr.
„Sind Sie ganz sicher, Doktor Wolf?“
Sie nickte.
„Die Medien werden sich darauf stürzen wie die Aasgeier.“ Der Commandant de Police lehnte sich mit der Hüfte an die Arbeitsplatte der kleinen Küchenzeile und spähte durch das Fensterchen zum grauen Februarhimmel hinauf. Es regnete schon wieder. „Waren welche draußen im Bois, als Sie am Tatort waren?“
„So schnell sind nicht einmal französische Journalisten, nehme ich mal an. Wollen wir weitermachen?“
„Trinken Sie erst mal in Ruhe Ihren Tee.“
Geza nickte, goss das kochende Wasser über den Beutel Earl Grey und zog sich mit der Tasse wieder an ihren Platz im Besprechungsraum zurück. Sie zog ihr Notizbuch heran und blätterte nachdenklich in ihren Aufzeichnungen. Nach und nach kamen die anderen herein und setzten sich. Bavarois wandte sich an Fronzac.
„Maxime, wer ist die Tote?“
„Sie heißt Léa Gerzon.“
Geza unterstrich den Namen in ihrem Moleskin.
„Was wissen wir über sie?“, hakte Bavarois nach.
„Das Opfer war Kinderkrankenschwester am Hôpital Necker. Hier in Paris. Sie wäre heute 38 Jahre alt. Wurde Anfang Juli letzten Jahres von ihrem Mann vermisst gemeldet. Sieht so aus, als habe eine halbherzige Suche stattgefunden, aber dann … verlief die Sache wohl im Sande.“
„Ihr habt gesagt, sie wurde erhängt aufgefunden – warum sind wir so sicher, dass es kein Selbstmord war?“, mischte sich der Berber ein.
„Die wenigsten Selbstmörder binden sich vor der Tat selbst die Hände so fest auf dem Rücken zusammen, dass die Blutzirkulation fast augenblicklich zum Stillstand kommt“, antwortete Fronzac. Die letzten Zeilen hatte er aus einem schmalen Hefter vorgelesen, in dem ihm der kahlköpfige Pathologe, der am Tatort gewesen war, vor der Sitzung erste Erkenntnisse zugesteckt hatte. „Nein, Erhängen war die Todesursache – man hat sie fachkundig stranguliert. Mehr konnte Raphaël aufgrund des Zustandes der Leiche nicht sagen, aber er geht nicht davon aus, dass er bei der Obduktion noch weitere schwerwiegende Verletzungen finden wird.“
„Was meinen Sie mit‚ ‚die Sache verlief im Sande‘?“, wurde Bavarois die Frage los, die ihn viel mehr interessierte.
„Na ja …“, antwortete Fronzac. „Ich habe mir vorhin die Fallakten mal kurz angesehen. In den Dateien gibt es eine Beschwerde ihres Mannes, Francois Gerzon, Mathematiklehrer, 49. Er wurde Ende September letzten Jahres auf einem Revier in der Nähe seines Wohnortes, wo er auch die Vermisstenanzeige aufgegeben hatte und dessen Revierleiter ein alter Kumpel von ihm ist, vorstellig und beklagte sich, er habe den Eindruck, wir würden uns bei der Suche nach seiner Frau keine rechte Mühe geben.“
„Und? Hatte er recht? Oder haben wir uns Mühe gegeben?“
„Oh, er hatte sowas von recht“, knurrte Fronzac. „Deshalb haben ihn die uniformierten Kollegen auf seiner heimischen Wache auch freundlich, aber bestimmt abgewimmelt.“
„Wie meinen Sie das?“, fragte Geza dazwischen.
Fronzac blickte sie direkt an.
„Die Akte trägt einen internen Vermerk, der besagt, dass es sich wohl um einen Ehekrach handelt und man der Sache nicht unbedingt mit Feuereifer nachgehen müsse. Dieser Vermerk – der entgegen aller Dienstanweisungen nicht mit den Initialen seines Verfassers gekennzeichnet ist – war Léa Gerzons endgültiges Todesurteil.“
Er sah sich die Videoaufnahmen des Feuers wieder und wieder auf dem Bildschirm seines Laptops an. Amateuraufnahmen, klar, aber trotzdem: Was für ein
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