Der Facebook-Killer
Ultimatum gestellt“, druckste Fronzac weiter. Vor seinem geistigen Auge sah er sich wieder durch die morsche Holztreppe brechen.
„So – und dann haben Sie sich darauf beschränkt, Madame Wolf Bescheid zu geben und anschließend selbst zum Tatort zu rasen, statt die erprobten Dienstwege zu gehen.“ Bavarois ließ diese Feststellung bedrohlich im Raum schweben und sich selbst schwer auf einen Stuhl fallen.
Geza hielt die Luft an und rechnete jeden Augenblick mit einer Explosion. Doch Bavarois sagte nur: „Khalil, was wissen wir über das Opfer und andere Betroffene?“ Er klang wie jemand, der sich völlig verausgabt hatte und nun sparsam mit seiner Luft sein musste.
„Im Haus befanden sich zum Zeitpunkt des Brandes noch zwei ältere Männer, die im Erdgeschoss zusammen in einer Art Senioren-WG leben. Die Feuerwehr konnte beide unversehrt ins Freie retten. Die beiden werden lediglich mit dem Löschwasserschaden in ihrer Wohnung zu kämpfen haben“, berichtete der Berber. Bavarois nickte.
„Wir hatten insofern Glück, als das Haus Ende des Jahres abgerissen werden wird und die meisten Wohnungen bereits leerstehen“, fuhr Khalil Larbi fort. „Deswegen dachte ich auch im ersten Moment an heiße Sanierung, als ich von der Sache hörte.“ Als er Gezas fragenden Blick sah, erklärte er: „Manche Grundstückseigentümer, die neu bauen wollen, fackeln die alten Gebäude ganz einfach ab, um sich so die Abrisskosten zu sparen.“
„Wer würde denn ein Haus anzünden, in dem sich drei Menschen befinden, nur um Geld zu sparen?“, fragte Geza entrüstet. Der Berber bedachte sie mit einem mitleidigen Blick.
„Konzentrieren wir uns auf das Opfer“, warf Bavarois ein. „Die Feuerwehr hat nämlich nur zwei der Insassen lebend herausgeholt.“
„Richtig“, nahm Khalil Larbi den Faden auf. „Unser Opfer von vorgestern Nacht – das dritte Opfer des Bibelmörders, wenn ich richtig gezählt habe – hieß Michelle Tourrende, wohnhaft im besagten Gebäude, neunundzwanzig Jahre alt, Flugbegleiterin bei der Air France. Ich habe hier die vorläufigen Berichte aus der Gerichtsmedizin und des Brandsachverständigen der Police Judiciaire.“ Er trommelte mit den Fingern auf einen abgegriffenen, blaugrauen Aktendeckel. „Sie war bereits tot, als die Feuerwehr die Tür zu ihrer Wohnung im ersten Obergeschoss des Hauses aufbrach. Das war übrigens nicht schwer, da es sich um eine alte Holztür handelte, durch die sich das Feuer bereits weitgehend hindurch gefressen hatte.“
„Was war die Todesursache?“, warf Geza ein.
„Laut Bericht unseres Pathologen war ihr gesamter Körper mit Brandwunden und -blasen bedeckt“, antwortete Larbi und warf ihr einen schwer zu deutenden Blick zu. „In der Wohnung herrschte eine unglaubliche Hitze. Die Brandwunden hätten sie zwar schwer entstellt, aber aller Wahrscheinlichkeit nicht ausgereicht, um sie zu töten. Nein, gestorben ist sie am Rauch. In der Mehrheit aller Gebäudebrände ist die Todesursache nicht die unmittelbare Flammeneinwirkung, sondern eine Rauchvergiftung durch die bei dem Brand entstehenden Gase.“
„Daran habe ich gar nicht gedacht. Geht das denn so schnell, dass sie es nicht mehr geschafft hat, die Wohnung zu verlassen?“, fragte Geza
„Genau“, sprang Bavarois ihr bei. „Warum ist sie nicht abgehauen?“
„Weil er dort bei ihr war“, sagte Fronzac dumpf, „und sie daran gehindert hat.“
„Knapp daneben ist auch vorbei“, entgegnete der Berber. „Der Grund, warum sie die Wohnung nicht verlassen hat, ist sehr einfach. In ihrer Diele stand ein alter Metallspind, wie man ihn in den Umkleidekabinen vieler Fitness-Studios findet, oder beim Militär. Offenbar fand Mademoiselle Tourrende es chic, ihn als Garderobenschrank zu verwenden.“ Er machte eine Kunstpause. „Er ist etwa einen Meter achtzig hoch, achtzig tief und sechzig breit. Darin saß sie während der Brandes und erstickte qualvoll.“ Eine erneute Pause. „Der Kerl hatte sie da hinein gesperrt und das Ding von außen mit einem billigen, handelsüblichen Vorhängeschloss aus dem Baumarkt gesichert. Da die gesuchte Frau nirgends in der Wohnung zu finden und der Schrank als einziger verschlossen war, haben die Feuerwehrleute das Schloss mit der Axt aufgeschlagen und so unser Opfer gefunden und geborgen.“ Er entnahm dem Aktendeckel ein Foto der verkohlten, eingeschlagenen Wohnungstür und heftete es an die Pinnwand. Dann fischte er aus der Jackentasche einen Beweissicherungsbeutel und
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