Der Facebook-Killer
Mülleimer. Dann trat er in den hinter ihm stehenden Sofortbildautomaten, zog den Vorhang vor, nahm Platz, strich sich das Haar aus der Stirn und wartete.
Später, nachdem er belustig zugesehen hatte, wie der bodyge-buildete Polizist und seine propere Partnerin mit wichtigen Mienen die Umgebung abgesucht, schließlich sein Telefon im Müll gefunden und frustriert (auch ob der zahllosen Leute, die keinerlei Verständnis für laufende Fahndungen hatten) mit der Präfektur telefoniert hatten, um schließlich wie Hunde mit eingekniffenem Schwanz abzuziehen, verließ er in aller Ruhe seinen Beobachtungsposten und stieg hinab in den U-Bahnhof, um endlich nach Hause zu fahren.
„Ein Einweghandy, nicht so ohne Weiteres triangulierbar. Das war keine Impulshandlung, das war von langer Hand geplant. Ich schätze, unser Facebook-Killer hat schon vor einiger Zeit beschlossen, ein erstes Bad in der Menge zu nehmen, und die technischen Möglichkeiten dafür geschaffen. Der Kerl überlässt nichts dem Zufall”, sagte Fronzac wenige Minuten später. „Ich meine, er hat es eingeschaltet gelassen!“ Er hatte Geza aus dem Chaos der Fragen, Rufe und Kommentare, das sofort nach dem Auflegen des Mörders losgebrochen war, mitgenommen in sein eine Etage höher gelegenes kleines Büro und sich auf den Drehstuhl hinter dem Schreibtisch fallen lassen. Das billige Kunstleder knarzte, und die Räder quietschten, als er sich abstieß und zu dem Schränkchen mit seiner Kaffeemaschine hinüber rollte.
„Es tut mir leid, dass der Berber das mit Zoë gesagt hat“, antwortete Geza unzusammenhängend. „Wir … wir finden Sie. Ganz sicher.“
Fronzac ließ das unkommentiert. „Vielleicht behält dieser junge Techniker, dieser … Antoine oder Albert oder wie er heißt, ja recht und schafft es, die elektronische Verzerrung des Mitschnitts auf digitalem Weg rückgängig zu machen“, sagte er. „Aber er meint, er brauche mindestens einen, eher zwei Tage, bis er ein halbwegs brauchbares Ergebnis zusammengetüftelt habe.“
Geza nickte. „Aber wir wären dann einen Riesenschritt weiter.“
„Haben Sie die Gesichter der Flics gesehen?” fragte Mafro. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Presse Bescheid weiß. Die Amokfahrt dieses … dieses Lasalle hat auch nicht gerade zur Geheimhaltung beigetragen. Ich gehe jede Wette ein, dass mindestens einer gerade da unten am Telefon hängt und einen Kontaktmann anruft, um sich sein karges Polizistengehalt etwas aufzubessern.”
Geza, die gerade erst die Tür hinter sich geschlossen und sich auf seinen Besucherstuhl hatte fallen lassen, sagte mit angespanntem Gesicht: „Wir müssen den Spieß umdrehen. Wie gut sind Sie vor laufender Kamera?”
Er starrte sie zunächst begriffsstutzig an, dann verstand er und lächelte leise.
„Die Sonderkommission hat keinen eigenen Pressesprecher, und bevor das mit Kyl passiert ist, war ich derjenige, der sich im Auftrag des Chefs regelmäßig um die Journaille gekümmert hat.“
„Macht Ihnen das Spaß?“, fragte sie.
„Manchmal. Manchmal auch nicht. Kommt darauf an.“
Geza ließ es vorerst auf sich beruhen. „Er hat hier angerufen, weil er ein Aufmerksamkeits-Junkie ist”, begann sie mit ihrer Analyse des Gesprächs. „Anfangs war das nicht so – das erste Opfer hat er an einer entlegenen Stelle der Katakomben getötet. Da fürchtete er noch die Entdeckung. Aber inzwischen entwickelt er sich immer mehr zum Showman, sucht die Öffentlichkeit, führt uns vor, indem er Sie vorher anruft und dann zum Scheitern verurteilt, indem er seinem Opfer den Schädel einschlägt. Wenn das so weitergeht, wächst ihm die Sache über den Kopf, und er wird einen Fehler machen.“
Fronzac rollte die Schultern. Sein Rücken war bretthart, sein Nacken vollkommen verspannt. „Er tötet weiter, weil es ihm inzwischen Spaß macht – und weil er auf diesem Gottes-Rächer-Trip ist. Seine Opfer findet er auf Facebook – und jetzt will dieser Bastard, dass die gesamte Welt an seinem Kreuzzug teilnimmt, und mit der Polizei, seinem größten Feind, fängt er an, indem er uns einfach mal anruft. Na toll.“
Geza erhob sich, trat an das winzige Fensterchen von Fronzacs Büro und sah in Gedanken versunken auf die Rue de la Cité hinaus. „Er will die ganze Welt wissen lassen, dass er in seinem kranken Spiel die Fäden zieht“, nahm sie Fronzacs Faden wieder auf. „Er macht die Ansagen, er legt die Regeln fest, und er lässt uns unsere Ohnmacht spüren, indem er
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