Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition)
die beste Freundin ihrer großen Schwester, und alle waren gutmütig, jung und dufteten gesund nach Kernseife. Zwar waren die meisten ein wenig ungelenk und hatte keiner von ihnen die männliche Selbstgewissheit, mit der Emil Fraunholz sie genommen hatte, und hernach schafften es nur wenige, sie durch die Nacht richtig warm zu halten; aber dafür hatten sie den Zauber des Neuen und den Reiz des Fremden, und wenn sie geschickt genug waren oder sich willig genug anleiten ließen, gelangten sie meistens beide ans Ziel.
So vergingen Monate und Jahre. Laura d’Oriano war zufrieden mit ihrem Leben. Zwar war sie alles andere als die große Künstlerin, die sie hatte werden wollen, und sie litt wegen ihrer Töchter unter Gewissensbissen, die sie zu lindern versuchte, indem sie Geld nach Bottighofen schickte. Aber immerhin sang sie ihr Lied und tanzte ihren Tanz, und ihr Bild stand in der Zeitung und die Männer drehten sich nach ihr um, während andere Frauen ihres Alters schon vom Fleisch fielen und anfingen, sich der Erde entgegenzubeugen.
Weil zwischen ihren Gastspielen jeweils mehrere Monate vergingen, reichte das Geld nicht, sie lag den Eltern auf der Tasche, die doch selber knapp bei Kasse waren; zudem hatte die Nachtigall von Kiew allmählich ihre Auftrittsmöglichkeiten an der Côte d’Azur ausgeschöpft und musste daran denken, die endgültige Heimreise in die Ukraine anzutreten. Laura zog in Erwägung, als »Svenja, die Lilie von Kopenhagen« auf Tournee zu gehen oder als »Carmen, die Rose von Sevilla«, und später vielleicht als »Aisha, die Königin von Tripolis«.
Auf jeden Fall aber brauchte sie ein regelmäßiges Einkommen. Da sie auf ihr Stellengesuch keine Antwort erhalten hatte, plazierte sie weitere Inserate, in denen sie sich als Kindermädchen, Putzfrau und Kellnerin bewarb. Es war dann aber einer von ihren Kellnerfreunden, der ihr eine Stelle vermittelte bei seiner ledig gebliebenen Tante, die ein Fachgeschäft für Damen- und Herrenhüte an der Avenue du 12 Mars führte und eine sprachgewandte Verkäuferin für ihre internationale Kundschaft suchte.
Die Tante hieß Maria Juarez und war eine emsige, kurzbeinige und breithüftige Frau mittleren Alters von unverkennbar iberischer Herkunft mit schwarzen Augen und olivbraunem Teint. Sie fasste in dem Augenblick, da Laura d’Oriano ihren Laden betrat, eine herzliche Feindschaft gegen dieses blauäugige Ding, das so unverschämt französisch aussah und wahrscheinlich noch nicht mal zu fasten brauchte, um so gertenschlank zu sein, wie sie ungerechterweise war. Weil die Tante aber seit langem jemanden mit genau Lauras Qualitäten suchte – präsentabel, weltgewandt, vielsprachig –, stellte sie Laura für drei Monate zur Probe ein.
Das Geschäft war vom Schaufenster bis zum Verkaufstresen in zwei Hälften geteilt; die linke war voller Herrenhüte, die rechte voller Damenhüte. Hinter dem Tresen führte eine kleine Tür ins Atelier, in dem drei graue, alterslose Arbeitsbienen von morgens bis abends lautlos Hüte anfertigten, sich von ihrer Herrin duzen ließen und jeden ihrer Befehle mit »Oui, Madame« quittierten.
Lauras Arbeitsplatz befand sich am linken Ende des Tresens, so weit als möglich von der Registrierkasse entfernt. Ihre Aufgabe war es, fremdsprachige Korrespondenz zu erledigen. Wenn französische Kundschaft den Laden betrat, um die sich grundsätzlich die Chefin kümmerte, hatte sie nett zu lächeln und sich möglichst unsichtbar zu machen; am besten war’s, wenn sie nach hinten ins Atelier verschwand. Wenn aber ein Amerikaner, eine Italienerin oder ein Ägypter eintrat, zog sich die Chefin ins Atelier zurück und überließ Laura das Feld.
Laura verrichtete ihre Arbeit gut, sie behandelte alle Kunden mit zurückhaltend-vertraulicher Freundlichkeit, wie sie es in der Musikalienhandlung gelernt hatte. Hinter der kleinen Tür lauschte die Chefin Lauras fremdländischem Geplauder und dem beifälligen Brummen und Gluckern der Kunden, wenn sie den richtigen Hut gefunden zu haben glaubten. Sie hatte allen Grund, mit ihrer neuen Angestellten zufrieden zu sein, kaum ein Kunde verließ das Geschäft, ohne mindestens einen Hut gekauft zu haben; trotzdem misstraute sie Laura – gerade wegen ihrer Qualitäten. Dass jemand fünf Sprachen beherrschte, war für sie, die ihre Geburtsstadt zeitlebens kaum verlassen und nie einen Fuß über die französischen Staatsgrenzen hinausgesetzt hatte, an sich schon verdächtig, mochte aber noch angehen. Aber
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