Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition)
ersten Novembertage 1943 gewesen sein, dass Felix Bloch das Büro von Robert Oppenheimer aufsuchte und um die Erlaubnis bat, Los Alamos zu verlassen. Über den Inhalt dieses Gesprächs weiß man nichts, weil Felix Bloch über seine Zeit auf Los Alamos bis an sein Lebensende Stillschweigen bewahrt hat, vielleicht aus Gründen der Geheimhaltung, zu der ihn das Militär auch übers Kriegsende hinaus verpflichtet hatte. In seiner gesamten hinterlassenen Korrespondenz findet Los Alamos nur einmal Erwähnung: in einem Telegramm des militärischen Befehlshabers, General Leslie Groves, der Bloch ausdrücklich ermahnte, dass die Geheimhaltung auch mit Kriegsende nicht aufgehoben sei. Vielleicht ist das der Grund, dass er auch in der Familie wortkarg blieb. Seine Kinder und die Enkel können sich nicht erinnern, dass er jemals darüber gesprochen hätte, und in der Öffentlichkeit hat er sich, soweit bekannt, nur ein einziges Mal dazu geäußert.
Er sei aus dem einzigen Grund nach Los Alamos gegangen, sagte er dem Wissenschaftshistoriker Charles Weiner am 15. August 1968 in seinem Büro am physikalischen Institut der Universität Stanford, weil er befürchtet habe, dass die Deutschen die Bombe vor ihnen entwickeln würden. Als sich dann gezeigt habe, dass dies sehr wahrscheinlich nicht geschehen werde, habe er sich verabschiedet, was einige seiner Freunde, insbesondere Oppenheimer, ziemlich verärgert habe.
Am Tag, an dem Lore und Felix Bloch abreisten, suchte General Groves sie in Apartment House T 124 auf und erinnerte sie an ihre Geheimhaltungspflicht. Dann kam ihr Nachbar Edward Teller und bot ihnen an, sie in seinem privaten Wagen hinunter zur Bahnstation von Lamy zu fahren. Im Augenblick des Abschieds, als das Gepäck im Kofferraum von Tellers Auto verstaut war und die Zwillinge auf dem Rücksitz saßen, war Oppenheimer nicht da. Und als Felix Bloch ihn suchen ging, war er in ganz Los Alamos nicht auffindbar.
Die Fahrt nach Lamy dauerte zweieinhalb Stunden. Man redete über Pferdefleisch, Orson Welles und ungarischen Rotwein. Zu besprechen gab es nichts. Der Abschied am Bahnhof war kurz. Der Zug würde bald fahren, und Teller hatte einen weiten Rückweg vor sich. Er war für den Abend mit Oppenheimer zum Pokerspielen verabredet.
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Laura d’Oriano wurde am Tag nach ihrer Verhaftung im Gefängnis Regina Coeli von Beamten der Geheimpolizei Ovra einvernommen. Laut Protokoll leugnete sie zuerst jede Spionagetätigkeit und machte geltend, nur deshalb nach Italien eingereist zu sein, weil sie ihre Mutter in Rom besuchen wollte, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen habe; die klandestine Wanderung über den Col de Montgenèvre unter falscher Identität habe sie gewählt, weil die italienischen Behörden ihr das Einreisevisum verweigert hätten.
Aber dann legten die Polizisten Laura d’Oriano die von ihrer Hand geschriebenen, mittels Bügeleisen gebräunten Briefe mit den geheimen Botschaften vor, worauf sie ein umfassendes Geständnis ablegte.
Anfang April 1942 wurde sie ins Turiner Justizgefängnis verlegt und dort aufs Neue verhört. Im Dezember kam sie zurück nach Rom. Insgesamt blieb sie ein Jahr und drei Wochen in Haft. Es war die Zeit, in der die Achsenmächte unter immer größeren militärischen Druck gerieten, das Regime musste innenpolitisch Stärke zeigen.
Der Strafprozess gegen Laura d’Oriano vor dem römischen Militärgericht begann am Sonntag, dem 15. Januar 1943, morgens um 08 Uhr 30, den Schuldspruch verkündete Gerichtspräsident Antonino Tringali Casanuova noch am selben Tag. Das Urteil lautete auf Tod durch Erschießen.
Unmittelbar darauf wurde sie in einem Gefängniswagen zur Festung Bravetta am westlichen Stadtrand von Rom gefahren. Am nächsten Morgen um 06 Uhr 15 kam ein Geistlicher in ihre Zelle und nahm ihr die Beichte ab. Ein Wärter brachte ihr das Frühstück, sie hatte am Abend zuvor Milchkaffee und eine Brioche bestellt. Dann wurde Laura d’Oriano auf den Exerzierplatz geführt. Der Kommandant des Exekutionspelotons verlas das Urteil. Um 07 Uhr 07 wurde es vollstreckt.
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Emile Gilliérons unerwarteter Tod brachte seine Familie in Geldnot. Die Tanten und Schwägerinnen zogen weg, die jüngeren Kinder fanden Unterschlupf bei ihren Taufpaten. Als Einzige blieben in der Rue Skoufa der erstgeborene Sohn Alfred und seine Mutter zurück, die weiter Akropolis-Bilder malte und diese zu verkaufen versuchte. Als Ende Oktober 1940 italienische Truppen im Norden Griechenlands einfielen,
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