Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
feuchte Wetter …« Er lächelt entschuldigend.
»Sicher. Im Foyer, die erste Tür links neben dem Eingang«, erwidert Schramm irritiert, sieht dann wieder gedankenverloren aus dem Fenster. »Schon seltsam, wie wenig Spuren wir in dieser Welt zurücklassen«, murmelt der alte Bankier. »Ein Blatt Papier in einem Trümmerhaufen. Das ist alles, was bleibt.«
Nicht ganz, denkt Stave.
Kienle tritt kurze Zeit später wieder in den Raum. Er nickt dem Kripo-Beamten kaum merklich zu.
»Wir werden diesen mysteriösen Fall wohl bald zu den Akten legen«, sagt der Oberinspektor und erhebt sich. »Vielen Dank für Ihre umfassenden Auskünfte.« Er zwingt den Sarkasmus aus seiner Stimme.
»Sie müssen sicherlich sehr beschäftigt sein. Als Bankier. Mit alldem neuen Geld«, stottert Kienle.
Schramm blickt ihn durch sein Monokel an wie ein Botaniker eine missgestaltete Pflanze. »Die Währungsreform hat viele meiner Kunden mit einem Federstrich arm gemacht. Vorgestern hatte man 1000 Reichsmark auf dem Sparbuch. Heute sind es 65 Deutsche Mark. Viele werden schnell feststellen, dass sie nicht genug schönes, neues Geld haben für all die schönen, neuen Waren, die sie sich kaufen wollen.«
»Dann werden Sie ihnen günstige Kredite gewähren. Die Bank gewinnt immer«, erwidert Stave. »Bemühen Sie ihr Hausmädchen nicht. Wir finden selbst hinaus.«
Als sie ein paar Meter die Fährhausstraße hinuntergegangen sind, fragt der Oberinspektor: »Haben Sie die Fotos geschossen?«
»In einer Stunde halten Sie die Abzüge in der Hand.«
»Sie müssen nicht flüstern.«
»Der Kerl macht mir Angst.«
»Schramm hat zwölf Jahre unter den Nazis durchgehalten, obwohl ihm die Gestapo regelmäßig Hausbesuche abgestattet hat. Ein harter Hund. Und ein Lügner.«
»Welcher Bankier kann es sich schon leisten, immer ehrlich zu bleiben?«
»Nicht jeder Bankier hat die Leiche seines Prokuristen in den Trümmern seines Büros liegen. Rosenthal hat nicht 1940 versucht, über Frankreich zu entkommen. Er ist bis zum Sommer 1943 in Hamburg geblieben. Es war sein Körper, den sie in den Trümmern des Reimershofes fotografieren mussten. In Trümmern, die erst 1943 nach einem Bombenangriff zurückgeblieben sind.«
»Dachte ich mir schon. Von einem Papier mit dem Namen darauf habe ich bei der Spurensicherung am Fundort nämlich nichts mitbekommen. Und nun?«
»Sie wissen ja selbst, was von der Leiche übrig geblieben ist. Viele Spuren gibt es da nicht, aber doch zwei: erstens die Schuhe. Doktor Czrisini hat mich auf die Kratzer in deren Ledersohlen hingewiesen. Indiz dafür, dass sich das Opfer im Todeskampf noch bewegt hat. Spricht meiner Ansicht nach gegen ein Ende durch herabstürzende Trümmer oder die Druckwelle einer Explosion. Das wäre schneller gegangen. Und zweitens denke ich an diese Schädelverletzung.«
Kienle pfeift anerkennend durch die Zähne. »Langsam begreife ich, worauf Sie hinauswollen.«
Der Fotograf hält Wort und bringt Stave nach einer Stunde ein halbes Dutzend noch feuchter Abzüge. »Ich habe meine letzten großen Bögen Fotopapier dafür genommen«, erklärt er, »und in der Dunkelkammer noch das feinste Detail herausgekitzelt.«
»Das sollte funktionieren«, murmelt Stave. Schramms Gehstock. Kienle sollte heimlich im Vorraum der Villa den im Weidenkorb abgestellten Gehstock des Bankiers ablichten – vor allem dessen massiven, silbernen Griff. Den L-förmigen Griff. Nun hält er Schwarzweißaufnahmen von allen Seiten des Endstückes in der Hand, daneben hat Kienle das Lineal platziert. Etwas körnig sind die Abzüge, die Reliefs im Silberknauf eine Winzigkeit verwackelt.
»Ich hatte weder Blitz noch Stativ«, erklärt der Fotograf entschuldigend.
»Man erkennt die Form klar genug. Und mit dem Lineal daneben kann man die Größe bis auf den Millimeter genau einschätzen. Das reicht.«
»Wollen Sie die Fotos in Dönneckes Mordakte schmuggeln?«, fragt Kienle. »Oder direkt damit zum Staatsanwalt gehen?«
Der Oberinspektor reibt sich die Schläfe. »Das sind keine Beweise. Das sind bloß Vorlagen – für einen Künstler.«
Er schüttelt dem Fotografen zum Abschied die Hand. »Kein Wort darüber, vor allem nicht zu Dönnecke«, schärft er ihm ein. Dann setzt er sich ans Telefon und ruft MacDonald an.
»Begleiten Sie mich zur schlimmsten Bruchbude Hamburgs?«
»Eine Bude so zugig wie ein Schloss in den Highlands? Das hätte ich nicht für möglich gehalten.«
»Sie müssen dort etwas für mich
Weitere Kostenlose Bücher